Ingolstadt
"Es ist egal, ob es Kunst oder Design ist"

Das Museum für Konkrete Kunst zeigt eine hinreißende Schau zum Thema Logo

30.11.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Da steht es, wirklich und leibhaftig: ein blaues Quadrat mit einer Schenkellänge von gut über einem Meter, darin der berühmte Querstrich. Eine Leihgabe der Deutschen Bank ist dieses Leuchtobjekt, das vielleicht einmal in einer Filiale hing und nun im Museum für Konkrete Kunst das wohl bekannteste deutsche Logo im wahrsten Sinn des Wortes verkörpert.

Daneben freilich, nur von einem Bildschirm mit Video zur Deutschen-Bank-Geschichte getrennt, konkrete Malerei, ebenfalls vom Querstrich dominiert. "Farbwechsel durch Linien" heißt das große Diagonalstreifenwerk, das wie das Logo von Anton Stankowski (1906-1998) stammt. "Ich kann nicht vormittags Kunst und nachmittags Design machen", erklärte der Pionier des Grafikdesigns und konkrete Künstler einmal. "Es ist egal, ob es Kunst oder Design ist, nur gut muss es sein".

"Logo. Die Kunst mit dem Zeichen" heißt die große Herbstausstellung des Museums - und der Titel und das Beispiel Stankowski zeigen: Hier geht es nicht allein darum, das Logo an sich als Marken-Kennzeichen zu würdigen, sondern seine "Verbindung mit der signalhaften Malerei der Konkreten Kunst". Das könnte trocken kommen, doch Kuratorin Theres Rhode hat die Schau als so spannende wie vergnügliche, bühnenbildreife Inszenierung gestaltet, die ebenso Informationen vermittelt wie Geschichten erzählt. Dass die "Bild"-Zeitung 1974, beim Erscheinen des Deutsche-Bank-Logos, empört titelte: "Maler verdient mit fünf Strichen 100.000 Mark", ist eine der anekdotischen davon.

Strukturiert ist die Ausstellung im Großen und Ganzen nach den Themen Quadrat, Rechteck, Kreis, Dreieck und Farbe: Es sind die Themen der Konkreten Kunst, und das kommt nicht von ungefähr. Ein Zeichen müsse so einfach sein, dass man es mit dem großen Zeh in den Sand zeichnen könne, formulierte der Grafiker Kurt Weidemann, Schöpfer des neuen Bundesbahn-Zeichens, einmal treffend das Credo der Logo-Gestaltung - und welche Formensprache böte sich da mehr an als die farbformal geometrische des konkreten Genres? Und wer wäre besser geeignet, Logos zu entwerfen als die, die diese Formensprache zur eigenen Kunst erhoben haben?

Sie sind alle da: Max Bill, der das seit 1921 unveränderte Logo der Schweizer Firma wohnbedarf schuf. Victor Vasarely, der mit seinem Sohn Renault den Rhombus als Zeichen bescherte, Raymond Loewy, der mit dem roten Kreis in Gold die Zigarettenmarke Lucky Strike unverwechselbar machte. Stankowski sowieso mit seinen Entwürfen zur Deutschen Bank, Werkbund und Messe Frankfurt. Oder Peter Behrens, der aus der detailreichen Bild-Werbung von AEG (Göttin auf Weltkugel vor Nachthimmel mit Glühbirne in der Hand) das schlichte Typografien-Zeichen machte und so überhaupt 1908 die Wende vom Allegorischen zum Abstrakten einleitete.

Sie und viele andere sind vertreten, und, wie Stankowski, mit weit mehr als ihren Logos. Denn lebendig stellt die Schau das Zeichen in den Kosmos künstlerischer Identität und Zeitgeschichte. Möbel von Max Bill gruppieren sich nostalgisch-elegant, in der Lucky-Strike-Abteilung findet man ein filigranes Mokkaservice (denn Raymond Loewy arbeitete auch für Rosenthal), ein alter Telekom-Telefonapparat (Abteilung Farbe - magentarot!) prunkt neben einem T-Diptychon von Rupprecht Geiger in Pink, Nivea-Dosen aller Zeiten baute man neben einem herzzerreißend amüsanten Film mit globaler Nivea-Werbung auf, und eine Leseecke mit Mies van der Rohes Barcelona-Sessel lädt zum Blättern in Langenscheidt-Lexika ein - ebenfalls erfolgreiches Marken-Logo ist das gelbe L auf blauem Grund. Und es gibt sogar ein "echtes" Rennauto zu sehen: Denn natürlich ist auch Audi mit seinen vier berühmten Ringen mit von der Partie und ergänzt seine Logo-Entwürfe mit dem "Kinderauto Union Typ C", einem Nachbau des Rennwagens von 1936 - mit Tretantrieb.

Vielleicht am schönsten inmitten dieser Inszenierungen: das große hintere Foyer im ersten Stock. Hier huldigt man etwa dem Mineralwasser Apollinaris - mit einer geradezu hinreißenden Regalinstallation aus unzähligen, freilich streng konkret arrangierten Flaschen. Da ruht sich das Auge dann (wieder einmal) lustvoll aus vom Lesen der Legenden, die diese quicklebendige Schau qualitätvoll vertiefen.