Ingolstadt
Ekstatisches Musizieren

31.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:17 Uhr

Hautnah erlebte das Publikum des Konzerts auf der Empore des Liebfrauenmünsters Ingolstadt Bernhard Haas’ Virtuosität und die Strahlkraft der großen Orgel - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Er liebt sie. Deshalb spielt Orgelprofessor und Virtuose Bernhard Haas Franz Liszts höchst anspruchsvolle Klaviersonate in h-moll regelmäßig auf seinem Instrument. So auch am Samstagabend beim Emporenkonzert im Liebfrauenmünster zum Abschluss der Ingolstädter Orgeltage 2014.

Und zwar so, dass den Zuhörern die Spucke wegblieb. Das bekannte Stück war kaum wiederzuerkennen. In völliger Ekstase bearbeitete Bernhard Haas die schweren Manuale mit den Händen, als hätte er eine leichte Klaviertastatur vor sich. Mit den Beinen tanzte er auf den Pedalen, als gäbe es kein Morgen. So ließ er die h-moll-Sonate durch verschiedene Klangräume reisen – vom Jazzklub, über einen Konzertsaal bis zu einem U-Boot, das Sonarsignale empfängt. Mit diesem Stück erzeugte Bernhard Haas einen fulminanten Abschluss eines Konzertes, bei dem die etwa 40 Zuhörer ganz nah an ihm und der Orgel dran waren und so das Konzert ganz anders wahrnehmen konnten. Da hörte man die Töne definierter. Sie flogen einem nicht zu, sondern man sah ihnen regelrecht nach, wie sie im Kirchenschiff zerstäubten. Ein solches Emporenkonzert ist etwas Feines. Direkt unter einer der längsten und dicksten Pfeifen sitzend, spürt man die Mächtigkeit der Musik und sein eigenes elementares Sein. Wenn dann noch César Francks „Fantaisie en la majeur“ erklingt – einmal dämonisch, dann wieder mächtig und dominant –, dann ist es, als brechen meterhohe Wellen mit einer unbändigen Kraft über einem herein.

Zum Durchschnaufen musste da ein Kontrast her. Den färbte Bernhard Haas mit dem Choral „Dies sind die heilgen zehen Gebot“ von Johann Sebastian Bach. Meditative Trompetentöne erzeugte da die Orgel. Aber auch andere Klänge und Geräusche. Die Organe der Orgel waren deutlich hörbar. Da klapperte, da ächzte, da bollerte es aus dem tiefen, großen Instrumentenkörper. Bei Bachs feinem Choral wurde nichts übertönt, nichts beschönigt. Da konnte man die ganze Schwerstarbeit hören, die dieses Instrument verrichtet.

Aber nicht nur die Orgel und der Organist verdienen dieses Mal großes Lob, sondern auch die Auswahl der Texte für das Programmheft. So wurde für das 2013 komponierte Stück „La fontaine de cuivre d’après Chardin“ von Hugues Dufourt ein Text von Musikjournalistin Cécile Olshausen ausgewählt, der dem Leser das Schaffen der Spektralisten wie Dufourt auf kurze, prägnante und leicht verständliche Weise näherbringt. Ohne diesen Text entstünde der Eindruck, das Stück sei „nur“ eine Aneinanderreihung von zufällig ausgewählten Dissonanzen. So konnte sich das Publikum aber in wenigen Minuten in das Schaffen des komponierenden Philosophen Dufourt hineinversetzen, dessen Ziel es war, Klänge zu konstruieren, die sich permanent verändern und die regelrecht belebt werden, wenn man sie nur lange genug „betrachtet“. Am Ende gab es dafür und vor allem für die h-moll-Sonate lang anhaltenden Applaus.