Ingolstadt
Einst Jugendclub, jetzt Großes Haus

Wenn "Der Fall der Götter" die Spielzeit eröffnet, ist der Ingolstädter Patrick Schlegel dabei

28.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Hat seit ein paar Wochen das Schauspieldiplom in der Tasche: Patrick Schlegel hat es auch ohne Schulabschluss geschafft. - Foto: Wolf

Ingolstadt (DK) Es war sein Traum, auf der Großen Bühne des Stadttheaters Ingolstadt zu stehen. Spätestens als Patrick Schlegel in Roland Schimmelpfennigs "Auf der Greifswalder Straße" mitwirkte, einer poetisch-theatralen Etüde über Großstadtbewohner, die Sascha Römisch mit seinem Jugendclub in Szene setzte. 17 war Patrick Schlegel da. Zum ersten Mal auf einer "richtigen Bühne". Und schon mit dem Theatervirus infiziert.

Roland Schimmelpfennig zählt heute, neun Jahre später, zu seinen Lieblingsautoren. Und Patrick Schlegel hat es geschafft. Er ist Schauspieler. Vor vier Wochen hat er sein Magisterzeugnis von der Universität Graz bekommen. Und seine erste Rolle führt ihn nach Ingolstadt. Hier hat am 6. Oktober "Der Fall der Götter" Premiere (nach Luchino Viscontis Film "Die Verdammten" von 1969). Patrick Schlegel wird die Rolle von Günther Essenbeck übernehmen, jüngster Spross der Familie aus Schlotbaronen im Ruhrgebiet, Steigbügelhalter für politische Emporkömmlinge im Jahre 1933. Die Verwicklungen innerhalb der Familie Essenbeck, in der unschwer die Familie Krupp zu erkennen ist, gleichen einem Drama von Shakespeare. "Günther ist ein zarter, klavierspielender Bücherwurm. Ein Mensch, der die Intrigen innerhalb der Familie schwer bis gar nicht verkraftet, psychisch gebrochen wird und schließlich zu einem radikalen Bösewicht wird", beschreibt Patrick Schlegel seine Rolle. Und er freut sich nicht nur über die Heimkehr nach Ingolstadt und die spannende Rolle, sondern auch, dass er mit seinem ehemaligen Mentor Sascha Römisch auf der Bühne stehen wird: "Das ist eine riesen Sache für mich. Schließlich hat er mir das allererste Handwerk beigebracht. Und mir den Floh mit der Schauspielerei überhaupt ins Ohr gesetzt."

Es war ein Weg mit Umwegen. Weil der Vater beruflich nach Moskau zog - und die Familie mitnahm -, bekam Patrick Schlegel schon früh eine Möglichkeit, sich mit Theater auseinanderzusetzen. An der deutschen Schule entwickelte er mit deutschen und russischen Kindern zwischen 11 und 15 Jahren ein Musiktheaterprojekt. Nebenbei verbesserte er sein Russisch (beide Eltern waren in der ehemaligen Sowjetunion geboren worden, lernten sich aber erst hier in Deutschland kennen). Nach einem Jahr kehrte er zurück, spielte wieder im Jugendclub des Theaters, schmiss bald darauf die Schule und ging mit Freunden zum Spinnwerk nach Leipzig. Das Spinnwerk ist ein Projekt des Leipziger Centraltheaters, das allen Theaterinteressierten Raum zur Selbstverwirklichung mit professioneller Unterstützung bietet. Er schrieb ein Stück, inszenierte, spielte. Und war bald überzeugt: "Das will ich machen."

2012 begann er sein Studium in Graz, spielte zwischendurch in Münster, wohin er der Liebe wegen gezogen war, Theater. Er tourte ein paar Wochen mit dem befreundeten Autor Yves Engelschmidt und dessen "pornoparodistischen Kurzgeschichten" durch die Republik. "Wir haben Bars, Cafés und Kneipen leer und voll gelesen, wurden ausgebuht und bejubelt", erzählt er lachend. Auch in Ingolstadt machten die beiden Station. Im "Tagtraum", wo auch das Interview stattfindet. Denn hier stand Patrick Schlegel früher selbst hinterm Tresen. "Das ist so etwas wie das Wohnzimmer der Stadt."

Traumrollen? Klar, die großen klassischen wie Franz Moor, Karl Moor, Richard III., Hamlet oder Romeo. "Die bergen eine hohe Emotionalität und eine große Aufgabe." Dabei: Den Romeo hat er schon gespielt. In Augsburg. Als er mit dem Theaterensemble Bluespots Productions "Liebe Macht Tod", die "Romeo und Julia"-Adaption von Thomas Brasch, in und um die Wassertürme am Roten Tor inszenierte. Und die anderen? Werden schon noch kommen. Schließlich ist er jetzt erst 26. In Ingolstadt wird er auch noch in dem Kinderstück "In einem tiefen, dunklen Wald" nach Paul Maar zu sehen sein. Dann will er nach Berlin ziehen - Theater und Filme machen und als Sprecher im Synchronbereich arbeiten.

Lampenfieber? "Klar habe ich das", sagt Patrick Schlegel. "Aber das zeigt nur, dass das, was ich tue, mir wirklich viel bedeutet. Ich glaube, Fallschirmspringen fühlt sich ähnlich an."