Ingolstadt
Eine Schulstunde Barockmusik

16.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Probieren geht über studieren: Ein Schüler des Reuchlin-Gymnasiums streicht über Antonio Fantinuolis Cello - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) „Meet the Artist“ heißt die vom Konzertverein Ingolstadt initiierte Reihe, in der Schüler prominenten Musikern des klassischen Genres begegnen können.

Am Abend hat das Ensemble Europa Galante im Ingolstädter Festsaal konzertiert. Der Vormittag allerdings gehört den siebten Klassen des Reuchlin-Gymnasiums – kleines Konzert und kritische Fragen in der Aula inklusive.

Die Frage „Wollen wir eine Band machen“ dürfte den 12- bis 13-jährigen Mädchen und Jungen leichter von der Zunge gehen als der Aufruf „Kommt, wir gründen ein Streichquartett!“. Irgendwie verbindet sich in manch jugendlichem Kopf der Begriff „Klassik“ mit Zentimeter dicken Staubschichten, Langeweile und bleierner Schwere.

War der Lehrstoff im Musikunterricht eben noch „Latin Percussion“, steht aktuell „Barockmusik“ auf dem Stundenplan. Das Ensemble Europa Galante kommt herein: Lässig gekleidet, feixend und vor Lebenslust sprühend – keine pomadigen Perücken, kein elitäres Gehabe. Das einführende, energiegeladene Barockstück ist eben verklungen, da ergreift Cellist Antonio Fantinuoli das (englische) Wort: „Wer spielt von euch denn ein Instrument“, will Fantinuoli wissen.

Zaghaft recken sich enttäuschend wenige Hände in die Luft. Das kann Schulleiterin Edith Philipp-Rasch so nicht auf sich sitzen lassen. So wird eben noch einmal gefragt, aufgeteilt nach Instrumenten. Die Anzahl der Musikanten unter den Schülern steigt daraufhin drastisch. Fantinuoli schmunzelt. Überhaupt führt der Cellist ausgesprochen kindgerecht und mit sprühendem Humor durch die Veranstaltung.

Zum Beispiel Instrumentenkunde. Der Schüler Adalmo Lanzi nimmt hinter dem vergleichsweise riesigen Cello Platz. Kurze Erläuterung, dann werden ein paar Saiten gezupft: Stolz und Applaus! Eine der Violinistinnen gibt ihr Instrument einem Mädchen in die Hand, das eine leere Saite streicht und ein paar zaghafte Pizzicato-Töne erzeugt. Trotz oberflächlicher Gelassenheit tauchen kleine Zuckungen an den Mundwinkeln der Violinistin auf, gefolgt von spürbarer Erleichterung bei der Rückgabe des Instruments. „Alte, italienische Meistergeige“, sagt sie. „150 000 Euro.“ Und entschuldigend fügt sie hinzu: „Gehört mir aber nicht.“ Ehrfürchtiges Schweigen füllt den Raum.

Das ist natürlich eine perfekte „Steilvorlage“. „Was kostet denn dieses Instrument“ will ein Junge wissen und deutet auf die Theorbe. Deren Spieler gelingt es, den materiellen Aspekt charmant in den Hintergrund zu drängen. Stattdessen demonstriert er die Grundzüge des Basso-Continuo-Spiels. Nach und nach tauen die Schüler auf, fragen nach Einzelheiten des Tournee-Lebens, nach dem Umfang der Übungszeiten, der Herkunft der gemischt europäischen Musiker.

Sarkasmus ist keine Frage des Alters, wie sich zeigt. Frage: „Würden Sie eher eine Woche lang auf warmes Wasser oder auf Musik verzichten“ „Musik“, lautet die Antwort des Genuesen Fantinuoli. Aber auch durchaus pragmatische Fragen finden Eingang. Wie das denn so ist, will ein Mädchen wissen, wenn man als Musiker während eines Konzerts mal dringend auf die Toilette muss. Die vielsagende Antwort lautet: „We are no heroes . . .“