Ingolstadt
Ein Vulkanausbruch

Der Flamenco ist eine Frau: Andalusische Nacht im Kulturzentrum neun

08.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr

Ingolstadt (DK) Wer Andalusien kennt, liebt die Atmosphäre seiner Flamenco-Bars. Weinselige Gespräche, leckere Tapas und mittendrin aufbrausende Leidenschaft. Die mit der Gitarre leise beginnt, sich mit den Klängen des Cajon ins Bewusstsein der Besucher drängt, mit den Palmas - dem rhythmischen Händeklatschen - deren ganze Aufmerksamkeit fordert, durch wehklagende Gesänge emotional mitreißt und in feurigem Tanz gipfelt.

Eben dieses Gefühl erlebten die Besucher der Andalusischen Nacht am Samstagabend im Kulturzentrum neun. Während sie sich noch spanische Weine und Tapas schmecken lassen, beginnt auf der Bühne scheinbar ganz nebenbei das Programm. Mit Fran de Fran, der versonnen seine Flamenco-Gitarre spielt. Mit Perkussionist Jorge Palomo aus Málaga, der allmählich einstimmt. Mit Juan Granados aus Jerez de la Frontera, der den wehklagenden Flamenco-Gesang anstimmt. Mit Mawi de Cadíz, der mit den ersten Zapateados - den mit Absätzen und Sohlen gesteppten Schritten - das Publikum fesselt, virtuos mit seinen Bewegungen spielt und schließlich ihr die Bühne bereitet: Montserrat Suárez, Star des Abends. Der Oktober ist eine Frau. Und was für eine Frau. Stolz, anmutig, leidenschaftlich. Die ganz und gar im Tanz aufgeht. Mit jeder Faser ihres Körpers Flamenco lebt, und immer wieder die Spannung hält zwischen langsamen Passagen aus zarten Floreos - sanften Bewegungen der Hände und Finger - hin zu schnellen Zapateadas. Die Flamenco-Tabs von Montserrat werden zu einer eigenen Melodie. Wer es wagt, für einen Moment die Augen zu schließen, hört in diesem Konzert vor allem ihr Instrument.

Die Show reißt mit. Ihre Dramaturgie ist die eines Vulkanausbruchs, der sich langsam ankündigt und in einer feurigen Explosion gipfelt. Die lockere Atmosphäre auf der Bühne, das spielerische Miteinander aus Gesang, Gitarre und Tanz, steckt an. Das Publikum ist begeistert, spürt die Spannung, die Leidenschaft, das Leid und die Liebe, spürt die Seele der andalusischen Zigeuner. "Wir wollen unsere Kultur mit euch teilen", hatte Mawi de Cadíz das Publikum zu Beginn eingeladen. Er, Zigeuner aus Cadíz, neben Sevilla der Ursprungsort des Flamenco, tanzt mit technischer Perfektion und Eleganz, interpretiert die andalusischen Coplas mit Hingabe, zieht in seinen Bann. Doch sobald sie die Bühne betritt, rückt auch dieser großartige Künstler in den Hintergrund. Sie ist der Quell des Lebens, der Mittelpunkt der Liebe und das Zentrum des Flamenco: die temperamentvolle Frau - Montserrat Suárez. Die Augen aller - der Musiker und des Publikums - richten sich auf "La Montse", ihre schnellen Schritte, ihre Anmut, ihre ausdrucksstarke Mimik. Als sie die Bühne verlässt und sich nach der Show unters Publikum mischt, staunen viele, wie klein diese große Künstlerin eigentlich ist. "Flamenco ist mein Leben", sagt sie. "Ich brauche ihn wie die Luft zum Atmen. Er ist ein Lebensgefühl, erzählt von Liebe und Leid, von Freude und Tod."

Die Ingolstädter Flamenco-Schülerinnen der Tanzwerkstatt stehen an diesem Abend noch lange beieinander und schwärmen. Sie haben Montserrat Suarez am Nachmittag im Workshop persönlich kennengelernt: eine wunderbare Frau, eine außergewöhnliche Künstlerin, deren nächste Auftritte nach China führen.