Ingolstadt
Ein Lehrer im Unruhestand

30.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:28 Uhr
Tägliche Tragödien des Lehreralltags: Han's Klaffl im Festsaal des Ingolstädter Stadttheaters. −Foto: Erl

Ingolstadt (DK) „Guten Abend liebe Kollegen. Eins kann ich versichern: Es gibt auch ein Leben nach dem Gong.“ Han’s Klaffl weiß, dass er mit seinem Kabarettprogramm aus dem schulischen Umfeld nahe an einem psychologischen Fachsymposium mit Selbsthilfeeffekt für gestresste Lehrer liegt. Entsprechend speziell begrüßt er bei seinen ersten Schritten auf die Bühne die Kollegen in den Stuhlreihen und auf den Rängen.

Natürlich sitzen am Sonntagabend viele im ausverkauften Ingolstädter Festsaal, die auch als fachfremde Zuhörer über seine Schuleinblicke herzlich lachen können. Doch die Gilde der Pädagogen scheint deutlich in der Überzahl zu sein. In zwei Kabarettprogrammen hat Klaffl in den letzten Jahren schon seinen ganz speziellen Einblick in die Abgründe und Freuden der Dreiecksbeziehung zwischen Lehrer, Schüler und Eltern gegeben. Doch nun ist Han’s Klafffl als Gymnasiallehrer in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet worden. Seither ist er nur mehr ein Pädagoge ohne formalen Lehrauftrag. Schlimm genug für einen leidenschaftlichen Pädagogen nach 40 Jahren Bildungsarbeit.

Sein aktuelles Programm „Schul-Aufgabe: Ein schöner Abgang ziert die Übung!“ ist dann auch ein wehmütiger Rückblick auf vier Jahrzehnte Frontarbeit mit „verhaltensoriginellen Schülern“ samt deren Eltern. Als ehemaliger Musiklehrer offeriert Klaffl seine Erlebnisse, genialen Rundumschläge und subtilen Spitzfindigkeiten – natürlich lässt er auch die Lehrerschaft nicht ungeschoren – gerne mit Kontrabass und Klavierunterstützung. Auf der Bühne darf Klaffl noch mal so richtig in den skurril-köstlich überzeichneten Klassenalltag der Mittelstufe eintauchen, in der sich bei vormals braven Kindern ein gewisser Individualismus entwickelt. Klaffl glänzt dabei mit einem wahrlich dramaturgischen Talent, die chaotisch-nervenaufreibende Arbeit als Dompteur eines ungezügelten Naturwesens darzustellen, das sich Schulklasse nennt. Nur der Gong rettet ihn dabei oft vor dem Untergang. Das tägliche Chaos im Streit mit den Eltern um die Lehrerparkplätze spießt er ebenso süffisant wie spöttisch auf, und natürlich dürfen die schriftlichen Elternreaktionen mit Verweis auf künftige Anwaltsschreiben nicht fehlen. Klaffl trifft den Kern des Schulalltags zielgenau und bündelt die täglichen Tragödien und Absurditäten des Lehrerberufs mit wunderbar heiterer Parodie, aus der trotz allem die Liebe zu seinem früheren Beruf spricht. „Völlig überzeichnet? Aber nein, Klaffl berichtet nur vom tatsächlichen alltäglichen Schulbetrieb“, beteuert eine begeisterte Lehrerin in der Pause.

Nicht so zart besaitet geht Klaffl im zweiten Teil des Programms mit seinen Erlebnissen mit der Bürokratie des Kultusministeriums und der Schulpolitik im Freistaat um. Als Pensionär seziert er voller Witz, Hintersinn und zwingender Logik die Absurdität der Entscheidungen um das G8 in Verbindung mit dem Flexijahr. „Das neunjährige G8 gibt es nur in Bayern“, bringt er diesen „pädagogischen Großflughafen“ auf die Spitze und natürlich erhält er tosenden Beifall. „Am Ministerium wurde beschlossen, der Lehrplan sollte entrümpelt werden. Man hätte uns Lehrern eigentlich sagen müssen, dass wir den Schülern nur Gerümpel beibringen“, setzt er nach und wieder tobt Beifall.

Aber natürlich dürfen in diesem Programm auch seine ersten Erfahrungen als Pensionär nicht fehlen, in dem noch viel pädagogische Leidenschaft steckt. Doch das wahre Leben hat wohl für seine didaktischen Unterweisungen nur wenig Verständnis. Vor allem wenn er die Schaufensterwerbung im Supermarkt mit rotem Dauermarker korrigiert. So bleibt nicht aus, dass er den Abend mit einer sentimentalen Pensionistenballade voller Sehnsucht über das Vergangene beschließen möchte. Doch hier holt ihn der Schulalltag wieder ein. Die Lehrerkollegen und Zuhörer im Festsaal brummen ihm mit heftigem Applaus Nachsitzen auf und Han’s Klaffl gibt dann auch gerne eine Zugabe.