Ingolstadt
Duell mit Bogen und Geige

Das Freundeskonzert des Georgischen Kammerorchesters

18.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:28 Uhr

Knisternde Spannung: Lavard Skou Larsen und Theona Gubba-Chkheidze spielen Bachs Doppelkonzert - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Manchmal ist ein Konzert ein Kampf. Ein Streit um das bessere Konzept, um den expressiven Ausdruck. Das musikalische Schlachtfeld war bei der Soiree des Freundeskreises des Georgischen Kammerorchesters im Ingolstädter Neuen Schloss das Doppelkonzert d-Moll für zwei Violinen von Johann Sebastian Bach.

Die beiden Solisten, Lavard Skou Larsen und Theona Gubba-Chkheidze, kämpften mit Bogen und Geige. Und natürlich trug der eigenwillige Chefdirigent am Ende den Sieg davon. Aber wichtig war hier nicht, wer sich durchsetzte, sondern der Prozess des Aufeinanderzugehens, des Sichfindens, des Sichabsetzens. Das Bach-Konzert ist voller Motivwiederholungen. Ständig spielen sich die beiden Solisten die Bälle zu. Da ist das entscheidende Kunststück, die Phrasierung des Gegenparts aufzunehmen, weiterzuführen und doch dem Motiv einen Hauch von Individualität zu verleihen.

Aber Skou Larsen wollte sich vom ersten Takt an nicht an die Spielregeln halten. Bereits im Tuttiorchestervorspiel wendete er sich demonstrativ von seiner Kollegin ab. Die erste Solopassage dann ging Skou Larsen stürmisch eilend an, bis an die Grenze des Unrhythmischen – und brachte damit Theona Gubba-Chkheidze fast aus dem Konzept. Bereits nach wenigen Takten wurde deutlich: Hier verfolgten zwei Musiker höchst unterschiedliche Ziele. Skou Larsen wollte das Konzert spannend machen, bis an die Grenze des Erträglichen. Unorthodoxe Einwürfe erhöhen den Druck, die Spannung, das Abenteuer. Für das Schwelgen in vibratosatten Tönen und für klare Strukturen war hier kein Platz. Das aber wollte offenbar die wohl beste Geigerin des Orchesters. Aber natürlich dominierte am Ende Skou Larsen das Geschehen. Er gestaltete die interessanteren Töne, überraschendes Zurückgehen ins Pianissimo, explosive Einsätze. Ein Parforceritt wie man ihn selten erlebt, ein vor Spannung knisternder Dialog. Und vielleicht der Höhepunkt des Konzerts.

Aber es gab an dem Abend weitere erstaunliche Programmpunkte: eine fast schon aggressiv dahinstürmende Sinfonia von Johann Christian Bach (in d-Moll), ein makellos gestaltetes Violinkonzert von Giuseppe Tartini gespielt von dem Orchestergeiger Alexander Konjaev. Und der Auftritt eines Wunderkindes: Der erst zwölfjährige Eichstätter Trompeter Clemens Heiß gestaltete sehr souverän und mit blühendem Ton „Thema und Variationen“ von Albert Lortzing. Vor allem aber war die Einladung an die georgische Pianistin Elisso Bolkvadze ein echter Glücksgriff.

Die in Frankreich lebende Künstlerin hatte sich zur Eröffnung das wohl kniffligste Virtuosenstück von Frédéric Chopin vorgenommen, „Andante spinato und Grand Polonaise Brillante“ – und bewältigte es bravourös. Bolkvadze hat einen sehr selten anzutreffenden Sinn für die Ästhetik des polnischen Komponisten. Ihr Anschlag ist filigran, luftig, schnelle Läufe sausen leise und mit beängstigender Präzision dahin. Und die Georgierin hat einen wunderbaren Sinn für die ständigen leichten Temposchwankungen, für die Agogik, die Chopins Musik verlangt. So zart sie die Tasten berühren kann – in den entscheidenden Passagen vermag sie kräftig zu donnern auf dem (eigentlich für den Saal unangemessen kleinen) Flügel.

Anders dagegen das Klavierkonzert von Haydn in D-Dur, das sie mit den Georgiern interpretierte. Auch hier bezauberte wieder die Leichtigkeit ihres Anschlags. Aber mehr noch verblüffte, wie Bolkvadze im Mittelsatz den Flügel in langen Melodiebögen zum Singen bringen konnte. In diesem Moment gab es keine Konflikte, nur selige Harmonie mit dem Orchester: Ein glücklicher Konzertausklang.