Ingolstadt
Die Wahrnehmung der Wahrnehmung

Die neue Künstlergruppe ArtaXis untersucht in Ingolstadts Kap 94 fünf Stunden lang Licht und Körper

12.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:39 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Yahsmine MaÃ.airas Arbeitsheft ist voll mit kryptischen Zeichnungen: Wegepläne, Stationen, Pfeile. Hier - das ist der Eingangsbereich des Kap 94. Und dort ist Musik. Und da die wichtigste Videoleinwand. Da hinten blitzt Licht auf. Mikrofone? Na, da! "Ich geb euch jetzt ein paar Tools in die Hand, mit denen ihr improvisieren könnt", sagt die Tänzerin aus Brasilien, derweil ein syrischer Schauspieler, eine serbische Theaterfrau, eine Ingolstädter Tanzelevin und ein Schanzer Gitarrist über dem Heft konzentriert die Stirne runzeln, und Esteban Nuñez, Lichtdesigner aus Bilbao, schon mal die ersten Videostreams an die Wand wirft.

Probe, eine von nur vieren, für ein Projekt, das fünf Stunden dauern wird und den jungen Alternativkunstort im Glacis am Donnerstag verwandeln soll in ein Forschungslabor für Wahrnehmung. So, "PercepÃ.ão", heißt der Abend aus Tanz, Video, Musik und Performance - und die studierte Tänzerin MaÃ.aira, in der Stadt unter anderem bekannt durch die unvergessene Tanzreihe "Short Cuts", und ihr ebenfalls akademisch ausgebildeter Partner Nuñez, der am Ingolstädter Theater arbeitet, nehmen das Motto sehr, sehr ernst. "Wir agieren im Work in Progress zwischen Kunst und Wissenschaft", sagt MaÃ.aira. Und dass der Besucher, der je nach Gusto aktiv oder passiv Teil der Performance sein soll, "hier kein fertiges Produkt kaufen kann". Für zehn Euro Eintrittsgeld bekommt man stattdessen: die Teilhabe an Körpern und Licht, die im verschlungenen Raumsystem des historischen Festungsbaus dieses und sich selbst und einander erforschen. Und die Chance der Bekanntschaft mit einer neugeborenen Künstlergruppe. ArtaXis nennt sie sich, was geheimnisvoll klingt, aber logisch ist. "Art" steht für Kunst, und die "Achse" für die Linie zwischen Nürnberg, Ingolstadt und München. Dort leben die Künstler und Künstlerinnen der Gruppe, "alles Profis", sagt MaÃ.aira. Wenn auch jeder auf seine eigene Weise.

Dabei sind, außer MaÃ.aira und Nuñez, eine akademische Malerin und Performerin aus dem Iran, eine "Lebenskünstlerin" aus Ingolstadt, ein Bildender Künstler von ebenda, eine mexikanische Kommunikationswissenschaftlerin und Filmerin, ein italienischer Physiker und die schon genannten Mitglieder der Probencrew. Elf Menschen aus acht Ländern, die sich von nun an intensiv mit der Wahrnehmungsuntersuchung als Kunstform beschäftigen wollen.

Über diese Tatsache staunt MaÃ.aira immer noch ein bisschen. Denn ursprünglich hatte sie im Herbst 2016 lediglich eine Solo-Performance geplant, für das sie schlicht eine Art Beleuchter suchte. Esteban Nuñez kannte sie schon lang - "aber als ich ihm erklärte, was ich machen will, merkten wir, dass das auch seine Idee von künstlerischer Arbeit ist". Purismus beiderseits als Credo: Die reine Bewegung wollte die eine, das reine Licht der andere erforschen. So wurde aus dem Einzel- bald ein Zweierprojekt; und bis zur Erkenntnis, dass fünf Stunden Performance - "so lange braucht man einfach , um sich wirklich einzulassen auf so einen Ansatz" - zu zweit nicht zu schaffen seien, dauerte es ebenfalls nicht lang. So entstand ArtaXis, jene künstlerische Anstalt zur Wahrnehmung der Wahrnehmung; Zeit für vier Proben ließ sich gerade noch finden vor dem ersten Auftritt.

Am Donnerstag nun also ist Premiere - für 300 Minuten raumfüllende Tanz-Video-INstallation. Freilich: Das Publikum kann kommen und gehen, wann es will, eine der sechs Performance-Stationen im Bauch des Kap goutieren oder alle, kann mitmachen oder zuschauen oder den Kopf schütteln über so viel Licht- und Körperuntersuchung. Was aber, wenn es lieber redet, trinkt und stört? "Dann ist das Teil der Performance", sagt MaÃ.aira gelassen. "Wer ins Kap kommt, ist dabei."

Am 16. Februar ab 18 Uhr im Kap 94, Eintritt jederzeit möglich, Karten gibt es an der Abendkasse. Eine weitere Performance von ArtaXis, nur mit Yahsmine MaÃ.aira und Esteban Nuñez, gibt es am Sonntag, 26. Februar, um 15 Uhr im Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt.