Ingolstadt
Die Schwestern kommen

Gefäß und Malerei: Mit der spannenden Ausstellung "Schölß & Schölß" wurden gestern die Ingolstädter Künstlerinnentage eröffnet

25.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Was ist Gefäß? Was ist Farbe? "Das Formenrepertoire ist unendlich", sagt Juliane Schölß, Silberschmiedin. "A never ending story", sagt Anna Schölß, Malerin. Sie sagen es getrennt voneinander und an verschiedenen Tagen während des Aufbaus ihrer Ausstellung in der Galerie des Theaters. Die eine zeigt in Glasvitrinen zarte Becher, Kannen, Krüge als schimmernd grazile Kunst. Die andere große Formate an der Wand, abstrakt, Farbfäuste darauf. Das passt gar nicht zusammen - und doch berückend gut: Denn genau da treffen sie sich, die beiden so unterschiedlichen Schwestern mit ihren so unterschiedlichen Arbeiten: im Sich-Versenken und -vertiefen der freudig und ernst begriffenen Endlosigkeit ihres Themas, im Erforschen der immer neuen Möglichkeiten. In der Konzentration auf Kunst.

Gestern Vormittag eröffnete die Vernissage "Schölß & Schölß" die Ingolstädter Künstlerinnentage "Der Oktober ist eine Frau" - ein wunderbarer Auftakt für den nun mittlerweile 22. Durchlauf der Reihe. Exemplarisch stehen die Schwestern für den Geist der Reihe: die Qualität jungen weiblichen professionellen Kunstschaffens ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rufen. Dass sie auch noch aus einer Ingolstädter Künstlerfamilie stammen, womit sie die Profikunst der Reihe auch in ihrer Heimatstadt verorten - umso besser!

Freilich, in der munteren Eröffnung, bei der sich die Vernissagengäste geradezu drängeln und die deutsch-brasilianische Musikerin und Komponistin Verena Marisa, mit einer beeindruckenden Vielzahl renommierter Preise dekoriert, mit den Arbeiten kommuniziert, hier vor Julianes Gefäßen die Geige schrappen lässt und dort vor Annas Bildern dem seltenen elektronischen Instrument Theremin erstaunliche Töne entlockt, ist der konzentrierte Blick auf die beschworene konzentrierte Kunst gar nicht so leicht. In der leeren Galerie indes entfalten "Schölß & Schölß" gemeinsam und erst recht jede für sich ihren ganz besonderen, sehr meditativen Reiz.

Da ist Juliane, mit 39 Jahren die Ältere: gelernte Silberschmiedin mit Meistertitel, Absolventin der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, ausgezeichnet u.a. mit dem Danner-Preis und dem Bayerischen Staatspreis für Angewandte Kunst. Angewandt? Nein. Irgendwo zwischen angewandt und frei siedelt sie ihre zarten Gefäße an, diese Becher, Kannen, Löffel, deren materielle Kostbarkeit sie in köstliche Formen übersetzt. Eine feine Ironie liegt über den ernsthaften Gefäßstudien, ein Schräges und Skurriles . . . Und schräg und verschoben, auf eine delikate, sehr dezente Weise, sind die Gefäße ja, egal, ob es sich um liturgische Kelche oder Bierkrüge handelt. Aus nur 0,3 Millimeter dickem Silber (manchmal wird auch geschwärzt oder vergoldet) montiert Juliane Schölß die federleichten Pötte, in der Materialwirkung Papier ähnlich und doch komplett stabil. "Mir ist nicht wichtig, dass man die Dinge benutzt, aber dass sie als Gefäße funktionieren", sagt Juliane. Wer sich traut, kann also etwa das "Pasta Pack", eine herrliche Zusammenstellung aus Silbertopf-, -flasche, -parmesantiegel, -löffel und -gabel beim nächsten Spagetthi-Essen nutzen. Indes: Schölß' Kunst mit ihren ungeheuren Feinheiten im Detail (wie nach außen gelegte Falze) ist mehr als Topf: Das Dreidimensionale, das Räumliche, die Form untersucht sie so abstrakt wie ihre Schwester in der Malerei.

Anna also, 33 Jahre alt, auch sie mit akademischem Diplom (Bühnenbild und Malerei), einen Lehrauftrag hat sie und ist außer der Malerei experimentellen Konzepten zugetan. In ihrer Heimatstadt zeigt sie nur Bilder: farbsatte, dabei keineswegs knallige Leinwände, auf deren monochrom changierenden Hintergründen runde (sich in den neuen Arbeiten immer mehr auflösende) Körper schweben, prangen. Sie arbeite gerne "roh", erzählt Anna Schölß, was meint, dass manchmal, wenn auch dezent, Erde, Papier, Sprühlack, Acryl und Öl zusammenkommen, das Struktur hilft, die Prinzipien der Malerei zu hinterfragen. Die versteht Schölß, die Bühnenbildnerin, durchaus räumlich: Lieb sind ihr Hochformate, weil sie "wie Türen" sind in einen Raum. Wie Rhythmen dagegen die Titel. "kdio" oder "Hana-Bi" heißen die Bilder, lautmalerische Worte für eine träumerische lautmalerische Welt.

Und da greift Juliane noch einmal ein. Nicht träumerisch, sondern erfrischend handfest ist ihr Schmuck. Wie auch nicht: In Kartoffeln schneidet sie die Form und gießt sie das Silber für ihre Ringe. Die ruhen nun wiederum in einer Glasvitrine vor einem Bild der Schwester. "Hängender Kristall" heißt das. Zwar hat sich dieser Bezug - immerhin lebt die eine in Nürnberg, die andere in Kochel am See - beim Aufbau zufällig ergeben. Andere, etwa der Ernst des Forschens, sind offenbar geschwisterliches Gen.