Ingolstadt
"Die Luft ist wie Champagner"

Aufwühlender Monolog: "Fräulein Else" feiert im Ingolstädter Altstadttheater Premiere

01.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr

Rot - Die Farbe der Lust: Fräulein Else (Isabel Kott) sucht ein Gewand für das Treffen mit dem reichen Herrn Dorsday. - Foto: Brehm

Ingolstadt (DK) Isabel Kott führt einen inneren Monolog, eine Stunde lang. Ununterbrochen. Die Schauspielerin der Fräulein Else füllt den mehr als 100 Seiten langen Text des Österreichers Arthur Schnitzler vielschichtig mit Leben. Obwohl mehrere Personen im Werk auftauchen: Isabel Kott steht die ganze Zeit alleine auf der Bühne.

Im Rahmen der Künstlerinnentage "Der Oktober ist eine Frau" wurde ein aufwühlendes und spannendes Drama inszeniert - auf einer reduziert gehaltenen Bühne. Ein paar wenige Requisiten, vier Stühle und verschieden große Leinwände, auf denen schwarze Skizzen italienische Berge erahnen ließen. Mehr braucht es nicht, denn Isabel Kotts Schauspiel erfüllt den ganzen Raum.

Das Fräulein Else erreicht im Urlaub mit der Tante und dem Cousin in Italien ein Expressbrief der Mutter. Die 19-Jährige müsse von dem alten Familienfreund Herrn Dorsday - der ebenfalls im Kurort weilt - 30 000 Gulden erbitten, um ihren verschuldeten Vater vor dem Gefängnis zu bewahren. Der Gönner gewährt ihr die Bitte mit der Bedingung, sie eine viertel Stunde "nur von Sternenlicht bekleidet" betrachten zu dürfen. Else ist sich ihrer Schönheit bewusst und möchte den Männern sonst gern gefallen. Aber der Zwang, sich zu prostituieren, löst in ihr eine tiefe Zerrissenheit aus. "Ich bin ein Luder, aber keine Dirne." Die eiskalt formulierte Forderung des Dorsday wirkt gerade zu bedrohlich. Ein rotes Licht legt sich auf die Szenerie. Das feuerfarbene Leuchten intensiviert sich stets, wenn Else droht, unter der Last der Entscheidung verrückt zu werden und mit dem Gedanken spielt, sich umzubringen. Doch Else spricht sich Mut zu: Hoffnungsvoll und doch manisch ermuntert sie sich, denn "die Luft ist wie Champagner". Es wird doch im romantischen Kurort noch einen Hoffnungsschimmer geben?

Gekonnt vermittelt Isabel Kott die Emotionen der Figuren und springt in Windeseile in die verschiedenen Rollen, spricht das Publikum direkt an und nutzt den Zuschauerraum. Das gesamte Stück kommt ohne musikalische Untermalung aus, bis auf den Trommelwirbel, der einsetzt, als Else die Situation nur noch lächerlich findet und schon fast in das Wahnwitzige abdriftet. Auf Elses Haut verteilt sich schwarze Farbe, als sie eine Entscheidung trifft: Sie wird vor der gesamten Urlaubsgesellschaft blank ziehen. Dann hinterlässt sie einen Abdruck ihres nackten Körpers ist auf einer der Leinwände. Kurz bevor auch das Publikum einen Blick auf die entblößte Else werfen kann, wird es dunkel.

Die Handlung folgt einer Dramatisierung von Boris C. Motzki aus dem Jahr 2011. Wer sich also auf die Fassung von 1914 verließ, wurde überrascht: Das Ende des Stücks verläuft anders, als erwartet. Ebenfalls untypisch sang Fräulein Else plötzlich Hits von Bob Marley, während sie über die Wirkung von Aufputschmitteln sinniert. Mit der plötzlichen Dunkelheit auf der Bühne bleibt der Schluss, jedoch keine Erwartung offen.

Warum sich Regisseurin Leni Brem für ein abruptes Ende der dramatischen Geschichte entschieden hat? Sie wolle der starken Frau, die sich in Fräulein Else verbirgt, eine Alternative zum Tod bieten und sie nicht auswegslos ins Unglück stürzen. Lang anhaltender Applaus.

 

Weitere Termine am 12. und 19. Oktober und 4. November, 20.30 Uhr, Altstadttheater Ingolstadt, Karten gibt es bei den DK-Geschäftsstellen.