Ingolstadt
"Die Kulturszene ist nicht aktiv genug"

Islamwissenschaftler Thorsten Gerald Schneiders über die Gefahr des Salafismus Vortrag am Stadttheater Ingolstadt

07.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

Gefühl der Bedrohung: Szene aus der Produktion "Djihad" am Stadttheater Ingolstadt. - Foto: Olah

Ingolstadt (DK) Beim Stadttheater Ingolstadt stellt die Auseinandersetzung mit dem Islamismus inzwischen fast schon einen Schwerpunkt dar. Nach den Produktionen "Djihad", "Unterwerfung" und anderen Stücken hält morgen der Islamwissenschaftler und Journalist Thorsten Gerald Schneiders in der Reihe "Reden über Gott und die Welt" einen Vortrag zum Thema "Salafismus in Deutschland - Ursprünge und Gefahren". Im Interview erzählt Schneiders, wie er zu dem Thema kam und dass er selber auch schon bedroht wurde.

Herr Schneiders, wie sind Sie vor Jahren auf das damals noch nicht so virulente Thema Salafismus gekommen?

Thorsten Gerald Schneiders: Das Thema ist eigentlich schon seit Längerem virulent, wenn man mit dem gezielten Blick des Wissenschaftlers darauf geschaut hat. Allein eine radikale Bewegung wie "Die wahre Religion" etwa, die ja kürzlich verboten wurde, ging schon früh an den Start, nämlich 2005.

 

Wie gefährlich ist denn der Salafismus heute?

Schneiders: Er ist sehr gefährlich. Aber vielleicht weniger wegen drohender Anschläge, sondern mehr wegen der spaltenden Wirkung auf unsere Gesellschaft. Salafisten sind Radikale, die eine fundamentalistische Auslegung des Korans vertreten und zu Gewalt neigen. Auf der anderen Seite haben wir als Reaktion darauf radikale Strömungen, die oft am rechten Rand des Spektrums stehen. Auch das Entstehen von "Pegida" muss man in Zusammenhang mit dem Salafismus sehen.


Der Salafismus hat ja auch eine verführerische Wirkung auf deutsche Jugendliche. Wie können Sie sich das erklären?

Schneiders: Da gibt es viele Gründe. Eine Radikalisierung verläuft nicht nach Schema F. In unserer Gesellschaft existieren ja ganz bestimmte Defizite, und die werden von salafistischen Gruppen gezielt ausgenutzt. Ein wichtiger Grund kann sein, dass man in eine neue Gemeinschaft kommt. Dass man endlich einen Zusammenhalt findet, dass man Freunde findet und zu einer Gruppe gehört, die für einen einsteht. Einen anderen Punkt würde ich mit dem Stichwort "Rebellion" beschreiben. Es geht um familiäre Zustände, gesellschaftliche Ausgrenzung, gegen die man rebelliert. Aber auch Fragen der Gerechtigkeit in der internationalen Politik - gerade in der islamischen Welt. Da gibt es viele Kriege und Auseinandersetzungen, häufig auch mit Interventionen aus dem Westen. Dagegen wird dann argumentiert. Man müsse sich einsetzen, unschuldige "Brüder und Schwestern" würden getötet.

 

Das Gefühl von Bedrohung schwappt allmählich auch in die Kulturszene über. Es gibt eine Menge Theaterstücke, die sich mit Islamismus beschäftigen. Was halten Sie von solchen Aktivitäten?

Schneiders: Ich begrüße das. Alles, was dazu beiträgt, für die Gefahren zu sensibilisieren, die von dieser Szene ausgehen, alles, was aufklärt, ist wichtig. Das kann man auf der Ebene der Bildung tun. Aber der künstlerische Umgang ist meiner Ansicht nach besonders wichtig, weil er noch mal andere Menschen anders erreicht. Ich meine sogar, dass die Kulturszene sich eher noch zu wenig dieses Themenkomplexes annimmt. Man schleicht sich noch zu oft vorbei.

 

Aber es muss doch noch mehr geben, was man gegen den Salafismus unternehmen kann?

Schneiders: Es gibt die Interventionsmöglichkeit vonseiten des Staates. Da geht es aber um unmittelbare Gefahrenabwehr. Als Zivilgesellschaft können wir vor allem präventiv wirken, um junge Menschen davon abzubringen, überhaupt erst in die Szene abzurutschen.


Ist die Gefahr durch die Flüchtlingsströme gestiegen?

Schneiders: Ja, das muss man so sagen, da sich Täter nachweislich unter die Flüchtlingsströme gemischt haben. Allerdings: Wenn die Flüchtlinge nicht gekommen wären, hätte es trotzdem Anschläge gegeben. Denn die meisten dieser Attentäter der vergangenen Jahre stammen ja nun mal aus Europa. Ferner gibt es die Möglichkeit, unter den Flüchtlingen für den Salafismus zu werben. Viele der Flüchtlinge sind über ihre Situation nach einer gewissen Zeit tief frustriert. Weil sie nicht arbeiten können, weil sie keine Zukunftsperspektive finden. In solchen Situationen können einzelne Personen durchaus für solche radikale Bewegungen anfällig werden.

 

Wie sahen die Recherchen für Ihr Buch über den Salafismus aus?

Schneiders: Bei einzelnen Themen war es schon schwierig, eine fundierte wissenschaftliche Darstellung zu verwirklichen - etwa bei der Terrorfinanzierung oder weil islamische Verbände zunächst nicht ausreichend bereit waren zu kooperieren.

 

Salafisten sind oft gewalttätig. Mussten Sie mit Bedrohungssituationen rechnen?

Schneiders: Ja. Ohne dass ich das näher ausführen kann, war es schon so, dass es zu gefährlichen Situationen kam. Und das, obwohl es sich um eine rein wissenschaftliche Publikation handelt.

 

Das Interview führte

Jesko Schulze-Reimpell.