Ingolstadt
Die Essenz der großen Oper

Festsaal statt Open Air: Das Georgische Kammerorchester spielte Melodien von Verdi, Gershwin und Bizet

28.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Foto: Bernhard Schaffer

Ingolstadt (DK) Nichts ist für ein Publikum so enttäuschend wie eine wetterbedingte Verlegung eines romantischen Open-Air-Konzerts in einen eher tristen Konzertsaal. Da ist selbst der Zugewinn an akustischer Qualität nur ein magerer Trost.

Der Open-Air-Abend des Georgischen Kammerorchesters (GKO) konnte auf keinen Fall im Turm Baur stattfinden, das war bereits einen Tag vorher klar. Also stand das Konzert bereits unter unglücklichen Vorzeichen. Umso größer der Triumph, wenn das Publikum im Ingolstädter Festsaal dennoch am Ende begeistert ist, jubelt, das Gefühl hat, einen fabelhaften Abend erlebt zu haben. Und genauso kam es.

Natürlich ist ein Programm für die flüchtig-offene Akustik unter Freiluftbedingungen anders konzipiert als etwa ein reguläres Abonnement-Konzert. Es muss populärer sein, süffiger, leichter fassbar. Traditionell sind die Freiluftkonzerte des GKO Opernkonzerte. Diesmal wurde keine ganze Oper aufgeführt, nicht einmal Arien erklangen. Vielmehr destillierte Ruben Gazarian eine Art Essenz der Oper, transportierte den südländischen Flair des Musiktheaters in den Festsaal, ohne tatsächlich die Dramen aufzuführen. Der Chefdirigent spielte durchgehend Bearbeitungen, Rhapsodien, Suiten aus Opernmelodien. Sehr wenig bekannte Werke, die jedoch auf äußerst populären Melodien basieren. Musikalisches Futter also gleichermaßen für den gebildeten Laien und den Kenner. Ein Programm auch, das gleichermaßen im Freien funktioniert und im Saal.

Der Erfolg des Konzerts hat allerdings auch viel mit den Solisten zu tun. Anstelle von Sängern kam das brillante Alliage-Saxofon-Quartett zum Einsatz. Eine passendere Besetzung hätte man kaum finden können. Schließlich gibt es auch bei den Saxofonen einen Sopran, ein Alt, einen Tenor und einen Bass. Die Rigoletto-Fantasie, arrangiert von Andreas N. Tarkmann, bot so ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Von den berühmten Tenor-Arien bis hin zu den Arien der Gilda und zum Bass des Grafen von Monterone konnte alles dargestellt werden. Und die Saxofone "singen" wunderbar. Sie jubilierten und brummten tief, formten berückende Kantilenen. Aber natürlich waren die vier Bläser nicht nur Sänger-Darsteller, sie ergänzten vielmehr auch die Farbigkeit des Orchesters. Fast konnte man vergessen, dass es sich um Opernparaphrasen handelte, so gut fügten sich die Klänge zusammen. Verwunderlich nur, dass ein so beliebter Schlager wie "Oh so trü-gerisch ..." ausgelassen wurde.

Noch bewegender gelang George Gershwins "Suite aus Porgy and Bess" (arrangiert von Sylvain Dedenon). Wie ein einziger großer, farbiger Organismus orgelten die Musiker ihre Klänge in den Saal. Dann allerdings erhob sich immer wieder ein Solo, fast wie in einer Jazz-Combo. Etwa das wunderbar gelassen-jazzig gespielte "Summertime" des Sopran-Saxofons.

Und schließlich, noch einmal nach dem Sommerkonzerte-Open-Air im Klenzepark, eine "Carmen"-Rhapsodie (von Jun Nagao). Diesmal allerdings ergänzten die vier Bläser die Streicher der Georgier, anstelle der gewaltigen Schlagzeugbatterie bei Shchedrin. Aber auch in dieser Version funktionierten die unverwüstlichen Melodien von George Bizet. Vielleicht sogar noch besser, denn natürlich können die Bläser den Operngesang besonders gut imitieren. Die berühmte Habanera, sonst ein hocherotisch-optimistisch aufgeladenes Lied, erklingt diesmal erst spät, bereits tragisch angehaucht durch einen dunklen Gongschlag. Das Publikum jubelte und feierte das hochvirtuose Quartett.

Nach der Pause ging es mit echtem Gesang weiter. Allerdings kam auch diesmal wieder keine originale Opernmusik aufs Programm, sondern Lieder von Giuseppe Verdi (arrangiert von Tarkmann). Maria Rebekka Stöhr war in ihrer roten Garderobe bereits eine faszinierende, geradezu dramatische Erscheinung auf der Bühne. Ihre Stimme ist hingegen berückend, ein samtig-weicher, dunkel gefärbter Mezzo. Nur leider sind die Verdi-Lieder eben keine Arien. So melancholisch berührend sie sind, ihnen fehlen die Strahlkraft der meist virtuosen Opernmusik, die Spitzentöne, die Koloraturen, die hinreißenden Sprünge, eben Grandezza. Für Maria Rebekka Stöhr war es deshalb schwer, mit dieser introvertierten, liedhaft-einfachen Musik Eindruck zu machen. Zumal ihre Stimme erst in höherer Lage an Glanz gewinnt, um über das (fast immer) etwas zu laut spielende Orchester zu strahlen. So blieb der Eindruck zurück von leiser, romantisch schwingender Melancholie - die natürlich noch viel unwiderstehlicher gewirkt hätte bei Sonnenuntergang im Turm Baur.