Ingolstadt
Der kleine Pascal und die Fratze der Gier

Wunderbar skurrile Szenen: Figurenkabarett mit Josef Pretterer in der Ingolstädter Neuen Welt

04.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr

Schräge Poesie: Pretterer und Puppe. - Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Josef Pretterer ist ein Unikum und passt in keine Schublade, ist Kabarettist, Puppenspieler, Schauspieler, Schöpfer skurriler Szenen. In seinem Programm "Knecht Gottes - online", das er in der Ingolstädter Neuen Welt auf die Bühne bringt, geht es um nichts weniger als die Geschichte der Menschheit zwischen Genesis und Internet, um Liebe und Tod, Lust und Untergang.

Ein großes Thema fürwahr, das die Elemente der Tragödie und der Komödie beinhaltet, auch bei Pretterer, dessen Sequenzen folglich lustig und nachdenklich, witzig und melancholisch sind, komisch und ernst zugleich.

Er selber huscht in einer originellen Rahmengeschichte als Hausmeister des Universums über die Bühne, gibt den Gnom mit zerknautschter Physiognomie in einer Art frühdigitaler Alchimistenküche und lässt Gottvater, der längst von seiner Schöpfung die Nase voll hat, ebenso zu Wort kommen wie seinen Sohn, der stur an das Gute im Menschen glaubt. "Geh da nicht runter, Junior, die legen dich aufs Kreuz!" warnt er ihn noch, was aber, wie man weiß, nichts genutzt hat.

Und dann lässt Pretterer seine Figuren zum Leben erwachen, die ekelhafte Macht, den gruseligen Tod, die Gewalt, den Neid, dazwischen eine Weinbergschnecke namens Chantal und - damit die Geschichte nicht irgendwann abrupt wegen Personalmangels endet - diverse Samenzellen im Vorstellungsgespräch beim Ei. Der Geiz und die Gier, dargestellt in Überlebensgröße als Monster mit furchterregenden Fratzen, die schließlich sich selbst und alles um sich herum vernichten, kommen zuletzt und versprechen für die Zukunft nichts Gutes. Und das, nachdem der Opa sehr anrührend seinem kleinen Enkel Pascal vor fünf Minuten die Sache mit dem Klapperstorch erklärt hat, was uns doch eben noch so optimistisch gestimmt hat.

Von Pretterer und seinen Figuren nicht beeindruckt, ja, berührt zu sein, hieße, keinen Sinn für Poesie zu haben. Die fordert bekanntlich Zeit und Muße. Deswegen ist Pretterers Programm auch nichts für Leute, die auf schnelle Bilderfolgen, pausenloses Umschalten und oberflächliche Reize stehen. Mancher wird ihm und seinem Programm vermutlich sogar Längen attestieren. Sicherlich, im Vergleich zu all der endlosen TV-Zapperei und dem heute üblichen Tempo bei Filmschnitten, an die wir uns längst gewöhnt haben, lässt er sich tatsächlich viel Zeit. Wodurch natürlich die optischen und inhaltlichen Aussagen aber auch ungleich eindrücklicher und nachhaltiger sind als bei vergleichbaren Kollegen.

Wobei "vergleichbar" jedoch im Grunde gar nicht stimmt, steht Pretterer mit seinen Puppen und seiner Art von Kabarett doch ganz alleine auf weiter Flur. Er gehört keiner Kategorie an, er ist eine.