Ingolstadt
Der Zauber gezupfter und gestrichener Saiten

Musik für Violine und Harfe beim Konzertverein Ingolstadt

27.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

Exquisiter Musikabend: Eva-Christina Schönweiß und Kirsten Ecke (Harfe) im Ingolstädter Festsaal - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Auf der Bühne des Festsaals wartet ein einsames Instrument, stolz und aufrecht, prangend in Gold, umrankt von üppiger Zier. So sehen Musikinstrumente heute eigentlich nicht mehr aus. Man träumt sich zurück ins späte 19. Jahrhundert, Fin de Siècle, in einen Salon mit samtenen Diwans und Damen in Abendroben, überall feine Vasen und Vorhänge mit dicken Quasten. Aber das Prachtstück flankieren zwei Notenständer von schnöder Funktionalität – also kein Traum, sondern gleich erklingende Wirklichkeit. Eva-Christina Schönweiß und Kirsten Ecke, eines der seltenen Duos für Violine und Harfe, geben sich die Ehre beim Konzertverein.

Schon die ersten Töne versprechen einen exquisiten Musikabend, wenn auch nicht für grobe Sinne. Schönweiß beginnt mit überaus zartem, ja scheuem Geigenton, gleitet leicht über locker gefügte Melodien hinweg und fügt sich damit perfekt in das Klangbild der Harfe. Die Sonate eines gewissen Jean-Michel Damase (1928–2013) klingt nicht gerade nach bedeutender Moderne, delektiert aber mit Raffinesse im Zusammenwirken der Instrumente, etwa wo Kirsten Ecke Klänge erzeugt, die sich wie zerstäubtes, im Sonnenlicht glitzerndes Wasser um die Violine legen. Gezupfte und gestrichene Saiten passen sehr gut zusammen, kommunizieren feinfühlig und farbenreich, wenn sie wie zwei aufeinander abgestimmte Könner betätigen. Wenn nur die großen Komponisten nicht immer nur für Violine und Klavier geschrieben hätten! Die „Trois Ballades Hébraiques“ von Rysterband (1914–1979) geben sich wieder ungeniert tonal, schlichte, volkstümliche Lieder, die auch von Melancholie der jüdischen Diaspora durchtränkt sind. Wo sich am Schluss die Melodie als nur noch hauchfeiner Faden verflüchtigt, gelingt den beiden ein anrührender Moment.

Allein schon als technisch brillante Leistung erstaunt eine „Rhapsodie für Violine und Harfe“ von Ravel, hinter der sich ein Arrangement der heiklen „Tzigane“ verbirgt. In der Orchesterfassung spielt ja auch eine Harfe mit, aber hier muss sie ganz allein, wie in der Klavierfassung, die spektakuläre Violinpartie unterstützen. Wie großartig schon ihr erster Einsatz aufrauscht! Schönweiß spielt die teils irrwitzig schwere Partie sauber und kontrolliert, und gerade diese Besetzung bringt das Artifizielle der nur scheinbar wild improvisierten Musik trefflich heraus.

Nach der Pause steht die Harfe dann auch noch ohne die Notenständer da. Auswendig spielt Kirsten Ecke Benjamin Brittens „Suite for harp“. Endlich auch einmal etwas schrägere Töne! Die romantische Harfe darf noch wohltönen, ist aber auch gebrochen an der Moderne. Diese Spannung wird in Eckes tief ausgeloteter Interpretation eindringlich spürbar. Leider viel zu selten ist im Konzertverein heutige Musik zu erleben, diesmal gibt es sogar eine Uraufführung: „Die wandelnden Feen in Neukölln“, komponiert für das Duo von dem Iraner Hooskyar Khayam. Meditative Liegetöne umspielt von sparsamen Akkorden, dann zunehmend ausgeschmückte Linien über ostinaten Mustern und schließlich eine ekstatische Steigerung: Die Feen sind offenbar waschechte Peris, derart orientalisch ist das Stück inspiriert. Frau Ecke behandelt ihre Harfe gekonnt wie ein riesige Oud, und Frau Schönweiß lässt das Rankenwerk nun wirklich wie improvisiert der Geige entströmen. Virtuos! Der klanglichen Balance und dem präzisen Zusammenspiel ist das 20-jährige Bühnenjubiläum deutlich anzuhören.

Insofern gerät auch die abschließende Fantasie op. 124 von Camille Saint-Saëns, einer der seltenen Klassiker dieser Besetzung, zu einem Fest. Aus einem graziös hinsinkenden Motiv (wie eine Dame auf den Diwan) entfaltet sich ein reiches melodisches Geschehen, üppige Linien blühen auf, schöne Girlanden flattern im Raum, Empfindungen werden wach, es ist, als ob sich der imaginäre Salon mit Leben füllt.

Klar, es ist ein bisschen kitschig, aber es wird einem auch warm ums Herz, sodass man kaum heraus will in die derzeit höchst unvorteilhaft eingerichtete Welt. Immerhin bekommt man nach viel Applaus noch Schumanns „Träumerei“ mit auf den Weg.