Ingolstadt
Der Gartenzwerg-Krieg

Johannes Lepper inszeniert "Bürgerwehr" am Stadttheater Ingolstadt

27.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:14 Uhr

Nichts ist komischer als das Unglück: Johannes Lepper inszeniert "Bürgerwehr". - Foto: Zinniker

Ingolstadt (DK) Anarchie in der Vorstadt: Die Geschwister Hilda und Martin sind gerade in das gediegene Wohnviertel Bluebell Hill gezogen und freuen sich auf die Einweihungsparty mit den neuen Nachbarn, da macht sich ein jugendlicher Eindringling aus der nahgelegenen sozialen Brennpunktsiedlung in ihrem Garten zu schaffen. Als wenig später ein Attentat auf ihren Gartenzwerg verübt wird, entscheiden sich die Neuankömmlinge, gemeinsam mit anderen empörten Anwohnern von Bluebell Hill eine Bürgerwehr zu gründen.

Zäune werden errichtet, Alkohol wird verboten und Ehebruch sanktioniert. Dann gibt es den ersten Toten.

"Bürgerwehr" heißt Alan Ayckbourns schwarze Komödie, die am Samstag im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt Premiere hat. Regie führt Johannes Lepper, Jahrgang 1960, der hier schon "Angerichtet" nach dem Roman von Herman Koch und Molières Komödie "Tartuffe" in Szene gesetzt hat. Es ist Leppers erste Ayckbourn-Inszenierung, und er schätzt vor allem die Qualität der Komödie, die weit über Boulevard-Komödien hinausgeht: "Die Komödie ist ja eine sehr ernst zu nehmende Kunst."

Auch wenn Ayckbourn das Stück 2011 kurz vor Ausbruch der sozialen Unruhen in Großbritannien geschrieben hat, so passt es doch perfekt in die aktuelle gesellschaftliche Lage in Deutschland, wo sich - gerade nach der Kölner Silvesternacht - immer mehr freiwillige Bürgerwehren gründen. Vergangenes Jahr etwa hatte ein Fall aus dem sächsischen Arnsdorf Schlagzeilen gemacht, als vier Männer einen 21-jährigen Flüchtling aus dem Irak nach einer Auseinandersetzung aus einem Supermarkt zerrten und mit Kabelbindern an einen Baum fesselten. Die Männer hatten später ihr Verhalten als Notwehr dargestellt. Zum Ende der Proben sollte nun der Prozess gegen die vier Männer wegen Freiheitsberaubung stattfinden. Doch der Iraker, der als Zeuge aussagen sollte, wurde vor wenigen Tagen in einem Wald tot aufgefunden - er war erfroren.

"Im Stück passieren ähnliche Sachen", sagt Lepper, der den Fall bei den Proben mit seinem Ensemble besprochen hat. "Da werden Häuser angezündet, kommen Menschen zu schaden. Das ist erst mal kein Komödienstoff. Aber es ist vielleicht gar nicht schlecht, sich eines solchen Stoffes mit Ernsthaftigkeit anzunehmen - und zwar in Form einer Komödie. Von Beckett stammt der Ausspruch: Nichts ist komischer als das Unglück. Ayckbourn selbst sagt, dass man sich den dunklen Stücken mit sehr viel Licht und den hellen Stücken mit sehr viel Dunkel annähern soll."

Im Original heißt das Stück "Neighbourhood Watch", was man mit Nachbarschaftswache oder auch -hilfe übersetzen könnte, und das beinhaltet neben der Wachsamkeit, dem Beobachten, dem Sich-Kümmern auch die Kontrolle. "Klar freut man sich, wenn man in einer Gegend wohnt, wo es keine Einbrüche gibt, wo man sicher ist und die Türen offen lassen kann", sagt Lepper. "Aber man möchte doch auch nicht eingekerkert werden und im goldenen Käfig sitzen. Und genau das ist das Problem dieser Figuren."

Premiere ist morgen, Samstag, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt. Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00.