Ingolstadt
Der Bläserwettstreit

Audi Bläserphilharmonie und Stadtorchester Ravensburg im Ingolstädter Festsaal

09.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:20 Uhr

Können auch poppig: Die Audi Bläserphilharmonie spielte Michael Jackson und die Bee Gees als Zugaben - und gab damit zugleich eine Vorschau auf die Audi Sommerkonzerte. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) So viel Glanz war selten im Ingolstädter Festsaal! Gleich zwei reine Bläserensembles gestalteten einen gemeinsamen Konzertabend mit Werken sowohl aus dem Musical- und Filmmusikgenre als auch solchen mit programmmusikalischem Ansatz.

Das Stadtorchester Ravensburg unter der Leitung von Harald Hepner hatte eine Woche zuvor die Audi Bläserphilharmonie zu einem gemeinsamen Konzert in Ravensburg empfangen. Die Gegeneinladung nach Ingolstadt war also eine nahe liegende Konsequenz. Zwei strukturell ähnliche Ensembles mit ähnlichem Programmansatz in einem gemeinsamen Konzert - ist da nicht ein Hauch von Orchesterwettstreit in der Festsaalluft? Das Stadtorchester Ravensburg betritt die Bühne, besetzt die Plätze, nicht zuletzt hinter einer gewaltigen Perkussionssektion. "The Cowboys - Ouverture" erklingt. Das Werk stammt vom preisgekrönten amerikanischen Filmmusikkomponisten John Williams und entstammt einem Western aus dem Jahre 1972.

Während die Ravensburger noch mit dem rhythmisch anspruchsvollen, synkopenschwangeren ersten Teil kämpfen und hier und da die Dinge etwas auseinanderlaufen, entfaltet sich im Mittelteil ein ausdrucksvoller Strom, eine greifbare Vision der Weite der amerikanischen Prärie. In George Gershwins "Ein Amerikaner in Paris" gefallen der lässig wiegende Umgang mit der Zählzeit "und" sowie abwechslungsreiche und gut gewählte Tempi. Die Liebeserklärung des britischen Komponisten Nigel Hess an die amerikanische Ostküste "East Coast Pictures" überzeugt gerade im melodiösen Mittelsatz "Catskill Mountains", stilistisch an Ennio Morricone erinnernd. Christian Lombardi führt nun "seine" Audi Bläserphilharmonie auf die Bühne. Nach Alfred Reeds "The Hounds of Spring" nach einem Versdrama von Algernon Charles Swinburne erklingt der Höhepunkt des Abends, die "Saga Candida" des belgischen Komponisten Bert Appermont, ein zur Konzertouvertüre umgearbeitetes Exzerpt des Musicals "Die Saat des Satans". Das Werk ist mehr als eine lose Motivvorschau. Die Audi Bläserphilharmonie zeigt es genial schlüssig verwebt, eine monophone Gesangslinie erzeugt ein düsteres Bild, danach entfaltet sich orientalisches Flair wie aus 1001er Nacht, das eine Umdeutung durch eine Solotrompete wie von südamerikanischer Provenienz erfährt und in eine Art Trauermarsch mündet. Christian Lombardi und seinem Ensemble gelingt eine schlüssige, kompakte Interpretation: immer transparent und von fein inszenierter Dynamik getragen.

Danach erklingt, ebenfalls von John Williams, die Symphonic Suite "Harry Potter - Der Stein der Weisen". Präzise Unisono-Passagen flankieren das weltbekannte Motiv, gerade die Synchronität der Querflötensektion wie aus einem Guss bei den durchaus anspruchsvollen Passagen ist bemerkenswert. Zwei Zugaben nutzt Christian Lombardi als quasi Vorschau auf die Audi Sommerkonzerte. Diese zeigen die Audi Bläserphilharmonie in überraschender Pop-Gewandung. Michael Jacksons "Smooth Criminal" fehlt es dabei noch an Druck: Das Stück lebt von der starken Basslinie, getragen vom E- Bass und der synchronen Basedrum, beides muss dominant auch im unteren Bassbereich hörbar sein, zumal die Linie in weiten Teilen den rhythmisch identischen Gesangspart doppelt. Das zweite Stück, "Stayin' Alive" der Bee Gees, ist dagegen ein echtes "Pfund" - die Falsett-Stimmen der Gebrüder Gibb sind in der groovigen Interpretation der Audi Bläserphilharmonie bestens aufgehoben. Und der Gewinner des unausgesprochenen, inoffiziellen "Orchesterwettstreits"? Das Publikum!