Ingolstadt
Das Well-Erlebnis

Der bekannte Trompeter Christoph Well spielte beim Silvesterkonzert im Ingolstädter Münster auch noch Dudelsack, Harfe und Flöte

01.01.2016 | Stand 02.12.2020, 18:51 Uhr

Ingolstadt (DK) Christoph Well ist bekanntlich Trompeter. Aber das stimmt nur teilweise. Denn eigentlich ist so gut wie nichts in der Welt der Musik vor ihm sicher. Beim festlichen Silvesterkonzert am Samstagabend im Ingolstädter Münster, dessen Tradition er in diesem Jahr wieder aufnahm, jedenfalls erwies das ehemalige Mitglied der Biermösl Blosn sich als Multitalent. Und so musste man nach dem Konzert eigentlich am wenigsten vom Trompeter schwärmen - und weit mehr vom Harfenisten und Komponisten.

Denn genau im Zentrum des Abends hatten Well und Münsterorganist Franz Hauk ein Werk gelegt, das in jeder Hinsicht aus dem Rahmen fällt. Well spielte eine von ihm selbst komponierte Volkslied-Paraphrase nach drei bayerischen Liedern. Und zwar nicht an der Trompete, sondern an der Konzertharfe. Ein uriges Vergnügen! Denn Wells perlende Töne durchfluteten das Münster, er übertraf sich selbst in Klangkaskaden, rauschenden Arpeggien, hinreißender Melodienseligkeit. Ein faszinierender Virtuosen-Exkurs, der völlig überraschend mit einem lauten Türknall endete - als sollte damit das alte Jahr krachend verabschiedet werden. Der Harfenist Well wollte dem Trompeter Well an diesem Abend offenbar die Schau stehlen.

Aber der Musiker kann noch mehr. Beim letzten Stück des Programms, Jeremiah Clarks barocker "Suite D-Dur", griff er zwischen den Trompetensätzen noch schnell zur Flöte; und er spielte auch noch Dudelsack. Wer Christoph Well engagiert, hat also eigentlich gleich mehrere Musiker unter Vertrag.

Als Trompeter zeigte sich Well diesmal weniger als Virtuose denn als tonschöner Gestalter. Nicht das schnelle Passagenwerk begeisterte, sondern eher die zarten, wie aus dem Nichts kommenden Melodien etwa in Johann Friedrich Faschs Largo aus dem Concerto D-Dur (FaWV L:D1).

Hauk begleitete wie immer absolut zuverlässig an der großen Klaisorgel - und steuerte eigene Akzente beim Silvesterkonzert bei: etwa zur Eröffnung die strahlende Fanfare von Jacques-Nicolas Lemmens (1823-1881). Oder die düstere Toccata aus der "Suite gothique" von Léon Boëllmann (1862-1897), ein Stück, das Hauk so spannungsgeladen wie einen "Tatort"-Krimi gestaltete. Und dann natürlich die überirdisch leuchtenden Klänge in Max Regers Musik, die volkstümliche Melodiösität in Sigfrid Karg-Elerts (1877-1933) "Choralimprovisation op. 65". Außerdem der Optimismus der beiden populären Zugaben (Ouvertüre aus Händels "Wassermusik" und Bachs Choral "Jesus bleibet meine Freude"). Tobender Orgelsturm und unendlich zarte Sphärenmusik als emotionale Reinwaschung. Genau das Richtige, um dem neuen Jahr entgegenzutreten.