Ingolstadt
Darauf einen Piccolo

Christine Eixenberger tritt in der Ingolstädter Eventhalle auf

19.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:40 Uhr
"Warum grad i" fragt Christine Eixenberger in komischer Verzweiflung. Sie gastierte bei den Ingolstädter Kabaretttagen. - Foto: Hammerl −Foto: Andrea Hammerl

Ingolstadt (DK) Den Begrüßungsapplaus findet sie ja "ganz putzig", aber Kabarettistin Christine Eixenberger ist anderes gewohnt. "Wenn ich das Klassenzimmer betrete, dann flippen die Schüler aus", versichert sie dem Publikum in der beinahe ausverkauften Eventhalle. Was vielleicht daran liegen könnte, dass dort weniger Schüler als vielmehr jede Menge Lehrer sitzen. Die kommen in ihrem neuen Soloprogramm "Fingerspitzenlösung" natürlich auf ihre Kosten, auch wenn die Schule etwas weniger im Vordergrund steht als in den früheren Programmen der examinierten Grundschullehrerin.

So stellt sie klar: "Kinder wären so etwas Tolles, wenn sie ohne Eltern auf die Welt kämen". Speziell ohne Mütter, die ihre SUVs, die "Kreuzung zwischen Auto und Schützenpanzer", während der mittäglichen Militärparade genau so lange im Schritttempo fahren lassen, bis der eigenen Schrazn eingestiegen ist - schließlich sind Mitschüler ja Mitbewerber im späteren Arbeitsleben. Eixenberger fährt keinen SUV, sie hat ihre "Hormone unter Kontrolle". Was aber nicht heißt, dass sie davor gefeit ist, "mit zerfetzten Kühlergrill und Ölwanne" im Straßengraben zu landen. Warum laufen ihr auch immer wieder so blöde Wildsauen ins Auto, wo sie doch eigentlich Artenschützerin ist?

Während "der Ding", wie sie den imaginären Lebensgefährten daheim auf dem Sofa abstrahiert (weil er dann weniger auf die Nerven geht), ihren Anruf mit "Lass dir doch mal was Neues einfallen" quittiert, ist der attraktive Wachtmeister, der sie schließlich im Graben findet, deutlich mehr an ihrem Wohlbefinden interessiert - allerdings auch an ihrem Alkoholpegel, resultierend aus den Piccolos, die sie nach dem Unfall im Erste-Hilfe-Kasten gefunden hat. Köstlich das Zwiegespräch, für das die Schlierseerin blitzschnell zwischen angesäuselter Unfallfahrerin und Gesetzeshüter hin und her wechselt.

Die Piccolos werden ebenso zum Running Gag wie der Stoßseufzer "Warum grad i", den nicht nur die von Helikopter-Müttern und den von ihnen verlangten Baldrianabreibungen für den Sprössling geplagte Pädagogin ausstößt, sondern auch die umweltbewusste Bahnfahrerin, die sich angesichts der "Spielvereinigung Sangria", die sich auf dem Weg nach Malle befindet, und weiterer unangenehmer Mitfahrer der Bürgerinitiative gegen Tourismus auf Mallorca nahe oder wie der Ochs in der Ochsenbraterei fühlt. Den Tourismus in der eigenen Heimat nimmt sie im Lied "Hohe Berge, blauer See" liebevoll auf die Schippe.

Nach der Pause schreitet sie im Zeitlupentempo mit Klangschale in der Hand über die Bühne - auf der Suche nach Langeweile, die ihr längst abhandengekommen ist. Dabei gäbe es doch so ein einfaches Rezept: Funkloch plus Arztpraxis, beziehungsweise deren Wartezimmer. Nur, dass die Krankenkassen noch nicht auf die Idee gekommen sind, das als Therapiekonzept für die stressgeplagte Gesellschaft einzusetzen. Dafür prophezeit Eixenberger, die Zwei-Klassenmedizin werde demnächst von der Drei-Klassenmedizin abgelöst. Der Premiumpatient besitze eine eigene Praxis, im Wartezimmer säßen dann die Ärzte. Derweil begnügt sie sich mit einem Ruheraum im Sternehotel - nur dass der alles andere als Ruhe beschert und auch noch mit Botox-Mumien geteilt werden muss. Mit Tantra-Sex und Ü30 - das Gute daran, man bleibt es ein Leben lang - geht es weiter, dann schlägt sie den Bogen noch einmal zurück zur Grundschule mit Weihnachtswünschen der Kinder wie der Kinderkettensäge, mit der das Hochbett tiefergelegt werden soll - drunter schläft der kleine Bruder.

Ein heiteres Programm, dem allerdings ein wenig der rote Faden fehlt - vielleicht sind die gesellschaftlichen Themen auch schon zu ausgelutscht. Etliche Lacher landet Eixenberger, große Höhepunkte aber bleiben aus.