Ingolstadt
Brot und Spiele für die Barbaren

Christoph Sieber redet bei den Ingolstädter Kabaretttagen Tacheles

05.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:51 Uhr

Satirisch, verquer und ein bisschen Comedy: Christoph Siebert bei seinem Auftritt in der Ingolstädter Eventhalle. - Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) "Die Deutschen sind Barbaren von alters her, dumpf und harmonielos", schreibt Friedrich Hölderlin 1778 in Hyperion. Heinrich Heine seinerseits fühlt sich 1844, denkt er "an Deutschland in der Nacht", gar um den Schlaf gebracht.

Und Christoph Sieber? Für ihn blieb vom Ideal des "mündigen Bürgers" nur noch der Bürger als Konsument übrig und das Bild des Deutschen als ewigen Nörgler und Opportunisten. "Erst kläfft er, dann macht er brav "Sitz!", sagt Sieber.

Wie begegnet ein ausgebuffter Kabarettist wie er diesem nunmehr also eindeutig definierten Volkskörper? Im Alltag mag er ihn als Objekt für kabarettistische Studien betrachten, wie aber reagiert er, wenn er in Gestalt des Publikums vor seiner Nase sitzt. Mit Häme und Spott? Das wäre die eine Alternative. Sieber wählt die andere, die Methode "panem et circenses", "Brot und Spiele", und füttert so Gehirn und Zwerchfell gleichermaßen. Und so gibt es also anlässlich seines Programms "Hoffnungslos optimistisch" im Rahmen der Kabaretttage in der Ingolstädter Eventhalle jede Menge zu lachen, auf den Punkt getextete, satirisch überhöhte Sequenzen, herrlich verquere Schilderungen des täglichen Wahnsinns und sogar ein bisschen Comedy zwischendurch. Aber es gibt eben auch immer wieder reichlich Stoff, den es erst einmal zu kauen, zu schlucken und dann auch noch zu verdauen gilt.

Sieber steht in einer Reihe und bewegt sich auf ähnlich hohem Niveau wie seine Kollegen Max Uthoff oder Claus von Wagner. Am besten und eindringlichsten ist er immer dann, wenn er der Fährte des großen Georg Schramm folgt und Tacheles redet. Dann ist schlagartig Schluss mit lustig, dann nimmt sich der Witz eine Auszeit und Sieber bringt die Sache auf den Punkt. Instinktiv spürt man als Zuhörer, wann es wieder mal so weit ist. Es wird still im Saal, und man hängt an seinen Lippen. "Es gibt zwei Methoden, sich eine Gesellschaft gefügig zu machen: Ihr Gewalt anzutun oder sie dumm zu halten." Oder: "Was eint ein Gemeinwesen? Ein gemeinsames Feindbild." Oder: "Demokratie ist den Leuten zu anstrengend. Deswegen sind sie dankbar, wenn ihnen einer sagt, was sie zu denken haben, das ist einfacher." Nach solchen Statements ist der Applaus besonders laut, fast so laut wie nach der Brüllshow-Persiflage im zweiten Abschnitt des Programms, was darauf hindeutet, dass man für Substanz und Klamauk gleichermaßen empfänglich ist - Siebers Rechnung also voll und ganz aufgeht.

Gut, dass er sein Programm - dem zweideutigen Titel entsprechend - dann doch optimistisch enden lässt und ein klein wenig relativiert. "Sie müssen auch einem Kabarettisten nicht alles glauben", hatte er sinngemäß bereits zu Beginn verlauten lassen. Ein guter Rat, denn Sieber verfügt durchaus über die stilistischen Fähigkeiten eines Demagogen. Und bei denen sollte man ja erfahrungsgemäß besonders vorsichtig sein.