Ingolstadt
Leidenschaft pur

02.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr

Musik mit vollem Einsatz: Stephanie Nilles toppt mit ihren "Murder Ballads" sich selbst.
- Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Stephanie Nilles, die Sängerin, Komponistin und Pianistin aus New Orleans, hat in Ingolstadt immer hervorragende Konzerte gegeben. Ihr Auftritt, mit dem sie an diesem Abend das Ingolstädter Bluesfest 2016 in der Neuen Welt eröffnet, aber übertrifft sogar noch alle vorherigen.

Das mag daran liegen, dass sie sich aktuell mit "Murder Ballads" beschäftigt, mit Moritaten nach amerikanischem Verständnis also, in denen es ziemlich blutrünstig zugeht, mit einem künstlerischen Konzept, zu dem auch viele ihrer älteren Kompositionen wie maßgeschneidert passen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass sie diesem Genre neue, eigene Stücke hinzufügt, die sich mit heutigen Themen beschäftigen, womit sie deutlich Kritik übt an der Verrohung der Welt, den geistigen Brandstiftern und den aktuellen Gewalt- und Gräueltaten allerorten. Auch ihre diesmal noch mehr als sonst zutage tretende technische Brillanz als Pianistin hat Anteil daran, dass man diesen Abend durchaus als sensationell bezeichnen kann. Und ihre Stimme, die bereits nach einer Textzeile ihr - und nur ihr - zuzuordnen ist, ist ja sowieso einmalig und einzigartig.

Das alles trägt dazu bei, dass das Bluesfest mit einem Paukenschlag beginnt. Miss Nilles' Leidenschaft als Künstlerin und ihre Bühnenpräsenz freilich setzen dem Ganzen die Krone auf und machen die knapp zwei Stunden in der Neuen Welt endgültig zu einem echten Ereignis. In jede einzelne Nummer verströmt sie ihr Herzblut, jede einzelne Textzeile ist ihr ein Anliegen, jeden Song spielt sie, als ginge es um Leben und Tod. Was es ja in gewisser Weise bei all den "Murder Ballads" auch tut. Leichen pflastern also quasi ihren Weg an diesem denkwürdigen Abend. Der Funke, den Billie Holiday einst mit "Strange Fruit" entfacht hat, weitet sich bei Stephanie Nilles zum Flächenbrand aus.

Etwa beim "A To Z Blues", in dem der eifersüchtige Liebhaber genüsslich das Alphabet in die Haut seiner Geliebten ritzt, oder in "The Deportee", das die vielen toten illegalen Immigranten am Rio Grande zum Thema hat, in "Bait + Switch", in dem sie die unsäglichen Wahlkampfthesen Mitt Romneys anprangert, oder in "The Majestic's On Fire", in dem sie schießwütige US-Cops anklagt. Dass sie dabei musikalisch bei Charles Mingus, Jelly Roll Morton und Frederic Chopin Anleihen nimmt und literarisch bei William Shakespeare, Norman Mailer und John Steinbeck, gehört für sie ebenso selbstverständlich mit dazu wie die Tatsache, dass ihre Texte durchaus nicht immer jugendfrei sind. Was aber nur folgerichtig ist, denn Storyville in New Orleans war und ist das auch nicht.

Ja, in der Tat, Stephanie Nilles, dieses zierliche Persönchen, fesselt ihr Publikum regelrecht. Von der ersten bis zur letzten Minute. Man hätte sich dieser Magie noch stundenlang hingeben können.