Ingolstadt
Begegnung der anderen Art

12.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:05 Uhr

Foto: Andrea Hammerl

Ingolstadt (DK) Sie haben viel recherchiert und sind tief in die Geschichte ein- und hinter deren Kulissen getaucht. Mit dem Napoleon-Projekt im Zeughaus haben sieben Künstler des Berufsverbandes Bildender Künstler Oberbayern Nord ein ganz bewusstes Gegengewicht zur Landesausstellung geschaffen.

Während Napoleon im Neuen Schloss als glorreicher Feldherr, Erneuerer der europäischen Staatenordnung, Partner und zuletzt Gegner des von ihm selbst geschaffenen Königsreiches Bayern dominiert, liegt der Fokus im Zeughaus klar auf Kriegsschrecken und charakterlichen Schattenseiten des gar nicht so kleinen Korsen.

In Kreisen gebunden wandern je zwei bis drei Wörter des Zitates „Ein Mann wie ich schert sich wenig um das Leben einer Million“ durch die atmosphärischen Gewölbe des Zeughauses. Gebannt bleibt der Betrachter stehen, bis sich ihm der komplette Satz erschließt. Den Satz, von Fürst Metternich überliefert, soll Napoleon im Vier-Augen-Gespräch geäußert haben. „Ob es stimmt oder nicht – das ändert nichts an den Tatsachen“, sagt Tom Neumaier, der die Installation aus Licht und Ton in den Raum hineingebaut hat. Und meint die nackten Tatsachen, dass Napoleon unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Aus dem Megafon erklingt eine Sequenz aus Peter Tschaikowskis Ouvertüre 1812, einer Auftragsarbeit des russischen Zaren anlässlich des Sieges über Napoleon. So geht ein langer Streicherabgang in die pompöse Zarenhymne über – Russland siegt über Frankreich.

Unter Neumaiers Installation liegt oder vielmehr hängt eine geschundene Kreatur in Seilen, im immanenten roten Licht nur noch schwer als einst stolzes Pferd zu identifizieren. Dabei hilft eine kleine Glasscheibe, die seitlich vor dem Gang zur Installation steht. Der Ingolstädter Kunstpreisträger Ludwig Hauser setzt nicht nur der benutzten Kreatur ein Denkmal, sondern hat auch einen Sockel für Napoleon gebaut, auf dem ein Haufen kleiner beleuchteter Aluminiumspäne zeigt, welche Kraft ihrem Verbund inne ist.

Die wohl eigenwilligsten Exponate sind Reinhard Dorns „Zitate“. 18 vergleichsweise kleinformatige, teils bizarre Fotocollagen entlarven Napoleons Inszenierung als Machtmensch. „Ein König ist in der Natur nicht vorhanden, er existiert nur in der Zivilisation. Es gibt keinen in nacktem Zustand, er existiert nur in Kleidern“ – das ist Dorns Thema, mit dem er spielt, wenn er beispielsweise Napoleon halb auszieht und statt in feudalem Repräsentationsraum in ein Badezimmer mit Waschmaschine und Toilette stellt.

Fredrik Lindqvist wiederum stellt Napoleon zwischen zwei moderne Frauen, von denen die eine stark an Josephine erinnert. Viktor Scheck ließ sich von einem Buch inspirieren. „Remember Beresina“ nennt er sein Werk, das den verzweifelten Rückzug der Grande Armee aus Russland und die Überquerung der gefrorenen Beresina thematisiert. Auf dem von Scheck übermalten düsteren Aquarell lässt sich wenig Gegenständliches identifizieren, lediglich der Fluss ist zu erahnen, braune Kästen scheinen ungeordnet darin zu schwimmen. Verzweiflung, Endzeitstimmung, Chaos werden spürbar – ein Werk, das weniger intellektuell als vielmehr emotional erfassbar wird, insbesondere durch die blanke Scapula auf dem Holzblock davor. „Das ist kein menschliches Schulterblatt, sondern eins vom Schwein“, versichert der Künstler.

Auf Elisabeth Anna Jungs „Le General Napoleon Bonaparte à L’Haube“, das den französischen General bei der Überquerung der Alpen zeigt – nicht ganz authentisch mit Pferd statt Esel –, finden sich neben Bonapartes Soldaten auch moderne IS-Kämpfer. „Denn Kriege gibt es ja immer“, erklärt Jung. Verbrannte und blutgetränkte Erde hat Susanna Smyczek-Schuhmann unter Napoleons Hut in Ton gebrannt und damit die am meisten selbsterklärende Installation der faszinierenden, teils auch provozierenden Ausstellung geschaffen.

Bis 16. August, täglich 10 bis 18 Uhr.