Ingolstadt
Aus dem Herzen Siziliens

In der Ingolstädter Neuen Welt begeistert Matilde Politi mit ihrem Trio und handgemachten Volksliedern

26.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Südliches Temperament: Matilde Politi (Mitte) mit ihrem Bruder Gabriele und Akkordeonistin Simona di Gregorio. - Foto: Knobloch

Ingolstadt (DK) Wie viele Einwohner hat Ingolstadt derzeit? Wohl genug, um eine Kleinkunstbühne mit 120 Plätzen auch während der Woche zu füllen. Natürlich kommt es auf den Musikgeschmack an, doch anscheinend geht der Trend dahin, das Geld lieber in Konservenmusik, die überall verfügbar ist, als in einen Konzertabend, der ja auch noch Zeit kostet, zu investieren.

Traurig, wenn selbst bei etablierten Veranstaltungsreihen wie den Ingolstädter Künstlerinnentagen nur zwei Dutzend Zuhörer den Weg in die Neue Welt finden, um handgemachte Musik zu genießen. Wo sonst als im Live-Kontext bekommt das Publikum zudem Hintergrundinfos zu den Liedern oder Einblicke in andere Kulturen? So hat Matilde Politi mit ihrer Musik als wichtigste Vertretung der aktuellen Volksmusikbewegung ihres Landes ein Stück Sizilien nach Ingolstadt gebracht. Dort gehört das Singen zum Alltag wie Essen und Trinken. Diese Lebensfreude vermittelt die Sängerin zusammen mit Simona di Gregorio am Akkordeon und ihrem Bruder Gabriele Politi an Geige und Mandoline.

Das Ensemble spielt traditionelle Lieder und Eigenkompositionen in Sizilianisch, das übrigens kein italienischer Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache ist. Die Musik ist geprägt von der wechselhaften Geschichte der Insel mit Einflüssen aus dem gesamten Mittelmeerraum. Und diese Einflüsse dauern an.

So singt Matilde Politi in "Farafina" über die Mütter, die ihre Kinder in der Ferne verschwinden sehen - so wie früher die Sizilianerinnen und heute die afrikanischen Mütter, deren Kinder mit den Flüchtlingsboten übers Meer kommen. Traditionelle Lieder aus Palermo und Catania über die zwei Heiligen Santa Rosalia und Sant'Agata versetzen die Zuhörer geistig auf eine Piazza im Süden. Insbesondere das zarte Rascheln der Schellen und die flotten Rhythmen auf dem Tamburello untermalen die Lieder perfekt. In vielen Texten geht es um die Liebe - poetische Serenaden und temperamentvolle Folksongs reihen sich zwischen Wiegenlieder und Balladen. Im Lied "Matri Terra" geht es um den Respekt vor Mutter Erde, in "Cumari" um die beste Freundin. In "Ringo" besingt Politi mit ihrer markigen Stimme die Arbeit auf den Schiffen im Golf von Palermo. Die zweistimmigen Sequenzen mit Simona di Gregorio gehen genauso unter die Haut wie rein instrumentelle Nummern mit Geige, Gitarre und Akkordeon.

Wer nun Lust verspürt, in den Genuss eines hochklassigen italienischen Musikabends zu kommen, dem sei wärmstens das Konzert von Roberto Tardito, einem Cantautore aus dem Piemont, am 2. November in der Neuen Welt ans Herz gelegt.