Ingolstadt
Auf dem Ozean des Lebens

Julia Mayr bringt Dave Sheltons Kinderbuch "Bär im Boot" auf die Ingolstädter Werkstattbühne

23.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Kuck mal, da! Zwar gibt es hier nur Meer und Himmel, aber der Bär und der Junge (Nils Buchholz und Olivia Wendt) erleben doch jede Menge Abenteuer. - Foto: Olah

Ingolstadt (DK) Die Geschichte könnte schnell erzählt sein: ein Bär und ein Junge in einem Boot. Der Junge will ans andere Ufer. Der Bär soll ihn dorthin rudern. Kann nicht lange dauern, denkt man sich. Falsch gedacht. Denn von hier aus sieht man das andere Ufer nicht. Streng genommen sieht man vom Boot aus nur den Himmel und das Meer. Der Junge fragt: "Sind wir fast da" Und die zögerliche Antwort des Bären - "Wir sind gut unterwegs!" - hätte einen stutzig werden lassen sollen. Denn Tag und Nacht, Teestunde um Teestunde vergehen - und noch immer ist da nichts als Meer. Dafür taucht ein Seeungeheuer auf. Ein Paradiesvogel. Eine Flaschenpost. Ein Geisterschiff. Sturm. Donner. Regen. Singt man ein Lied oder zwei. Bricht sich Verzweiflung Bahn. Erwächst Zuversicht. Und eine wunderbare Freundschaft.

"Bär im Boot" heißt Dave Sheltons Roman für Kinder, in dem er von dieser abenteuerlichen Reise erzählt. Julia Mayr, Leiterin des Jungen Theaters Ingolstadt, hat die Geschichte auf die Werkstattbühne gebracht - als bezauberndes Theatervergnügen für Kinder ab sieben Jahren und deren Begleit-Erwachsene. Denn das Stück mag vordergründig von dieser seltsamen Beziehung zwischen Junge und Bär erzählen, von Streit und Versöhnung, vom Unvorhersehbaren und von allerlei Widrigkeiten, von Vertrauen und Hoffnung, von Improvisationskunst und Mut, aber im Kern ist es eine kluge Parabel auf das Leben. Und diese tiefere Bedeutungsebene samt skurriler Handlung, lakonischer Dialoge und britischem Humor unterhält auch die "Großen" aufs Allerfeinste. Bei der Premiere am Samstagnachmittag gab's nach 70 Minuten langen, begeisterten Applaus.

Schon das Bühnenbild von Dietlind Konold ist so einfach wie hinreißend. Das kleine, weiße Boot "Harriet" steht in einem Meer aus zerknülltem, blauem Papier. Drumherum gibt es weiße Türen mit vielen Klappen, die zu neuen Bühnen werden. Hier zeigt ein gefährliches Sandwich seine grünen Zähne, dort wird ein Fisch gefangen und anderswo geht das Spiel en miniature als Geisterschiff-Schattentheater weiter. Was für ein Spaß ist das! Mit welch überwältigender spielerischer Poesie führt Regisseurin Julia Mayr ihr Publikum durch diese Geschichte! Die Klappen gewähren Blicke in fantastische Welten. Und ein bisschen fühlt man sich wie Alice im Wunderland: Da ist die Teetasse plötzlich so winzig klein - dass nur ein Puppen-Bär daraus trinken kann. Da wachsen Wattebausch-Wolken zu riesigen Cumulus-Formationen an. Es kracht und blubbert, weht und wogt, klingt und klonkt. Mal in klein, mal in groß. Denn die Puppen, die Nils Buchholz als Bär und Olivia Wendt als Junge irgendwann in den Händen halten - ein kleiner Plüschbär mit gestreiftem Pulli und ein Junge mit der gleichen Krawatte wie seine größere menschliche Ausgabe - bieten zum einen ein bisschen Trost, zum anderen aber neue Möglichkeiten, die Geschichte weiterzuerzählen.

Überhaupt ist Nils Buchholz ein vortrefflicher Bär von geringem Verstand: treuherzig in seinem Wesen, possierlich in seiner Schwerfälligkeit, aber kühn bis ans Herz. Ein perfekter Kompagnon für Olivia Wendts Jungen im Harry-Potter-Look: aufgeweckt und unverzagt. Paula Gendrisch macht das Trio komplett. Spinnt das Seemannsgarn weiter, knipst den Mond an und aus, ist Herrin über Wind und Wetter und hat zudem einen prachtvollen Auftritt als Seeungeheuer. Dass Mensch und Puppe so perfekt agieren, ist den Puppenspielerinnen Dorothee Metz und Vanessa Valk zu verdanken, die Julia Mayr nach der entzückenden "Geschichte vom Kleinen Onkel" erneut mit ins Boot holte.

"Bär im Boot" ist ein Erlebnis für alle Sinne, erzählt viel über die Magie des Theaters, über die Vielfalt der Formen und das Entdecken neuer Welten. Ein philosophisch-komischer Spaß für Groß und Klein.

Weitere Vorstellungen am 28. Mai und am 3. Juni. Kartentelefon: (0841) 30 54 72 00.