Ingolstadt
Ach, süßer Tod

Das Mandelring-Quartett und Gustav Rivinius spielen Franz Schuberts düsteres Streichquintett

28.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:55 Uhr

Tragische Töne: Das Mandelring-Quartett und Gustav Rivinius (rechts) beim Konzertverein. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Mehr geht nicht. Noch stärkere Emotionen lassen sich nicht verkraften. Nach dieser niederschmetternden und zugleich berauschenden Musik kann es lange Zeit keine anderen Klänge geben. Sebastian Schmidt, der Primarius des Mandelring-Quartetts, drückte diese Stimmung am Ende des Konzerts im Theaterfestsaal so aus: „Das ist ein Werk, das uns sehr am Herzen liegt. Und zwar so sehr, dass wir Ihnen jetzt keine Zugabe geben können.“

In der Tat ist das Streichquintett C-Dur von Franz Schubert eine einzigartige Komposition, die in ihrer Wucht, ihrer Schönheit und Tragik tief erschüttert, zumal wenn sie mit solcher Intensität vorgetragen wird wie an diesem Abend beim Konzertverein. Schubert hat das Quintett wenige Monate vor seinem Tod komponiert. Heute wirkt es wie sein Schwanengesang, todesnah und zugleich voller heiterer Melodien, die von unheilschwangeren Eruptionen unterbrochen werden.

Die Musiker des Mandelring-Quartetts und der hinzugekommene Cellist Gustav Rivinius finden einen sehr irdischen, ja fast virtuosen Zugang zu dem Quintett. Die schier endlosen melodischen Bögen kosten sie aus, geben sich der brüchigen Heiterkeit hin, verführen das Publikum in schönere Welten, um dann im dritten Thema und in der Durchführung umso heftiger das Idyll zu zerstören. Noch packender der zweite Satz mit seinen fast statischen Klangflächen und seufzenden Motiven, bei denen die Zeit eisig zu erstarren scheint. Bis im Mittelteil wie in einem Aufschrei der Verzweiflung alle freundlich schimmernde Hoffnung der Anfangstakte zunichtegemacht wird. Auch hier versuchen die fünf Musiker, besonders den harten Kontrast der Klänge hervorzuheben – und hätten doch etwas weiter gehen können, indem sie die Anfangstakte noch langsamer, endloser, vibrato-ärmer hätten gestalten können. Und dann der im Dreivierteltakt tänzelnde dritte Satz mit seiner fast derben wienerischen Lustigkeit, die so unvermittelt in Todestraurigkeit umkippt. Wiener Schmäh ist auch im Schlusssatz bei der Deutung des Mandelring-Quartetts mit eingewoben, genauso wie lauernde Aggression. Ganz am Ende beschleunigen die Musiker das Tempo bis an die Grenze des Irrsinns, als wollten sie den wahren Kern der immer hektischeren Heiterkeit enthüllen: die Angst vor dem Tod.

Vor dem schwergewichtigen Ende des Konzerts hatte das Mandelring-Quartett mit den Geschwistern Sebastian, Nanette (beide Violine) und Bernhard Schmidt (Cello) sowie dem gebürtigen Ingolstädter Roland Glassl (Bratsche) sich etwas unkompliziertere Werke von Haydn und Schostakowitsch vorgenommen. Besonders das „Lerchenquartett“ erwies sich als munterer Einstieg in den Konzertabend mit seinem frühlingshaften Beginn und dem vogelartigen Violingezwitscher von Sebastian Schmidt. Die vier gestalten das mit lässiger Noblesse, augenzwinkernd. Auch das Streichquartett Nr. 10 von Schostakowitsch gehört zu den weniger tiefschürfenden Werken. Der Russe hatte es 1964 mit eher sportiver Zielsetzung komponiert: Er wollte, was die Anzahl der Streichquartette betrifft, einen armenischen Kollegen übertrumpfen.

Das As-Dur-Streichquarett wirkt formal so durchdacht wie das Haydn-Quartett. Die Musiker des Mandelring-Quartetts spielen die breite emotionale Spannweite virtuos aus, die milde Stimmung des Kopfsatzes genauso wie die schroffe Maschinenmusik des Allegro furioso, die melancholische Streicher-Arie des langsamen Satzes und die gewaltigen Kraftentladungen im Schlusssatz, in dem am Ende das Thema des ersten Satzes noch einmal aufgegriffen wird und das Werk abrundet.

Das Mandelring-Quartett, das längst zu den besten Kammermusikensembles der Welt zählt, musiziert das mit unglaublicher Perfektion und geschmeidigem Schönklang – manchmal aber auch bis an die Grenze zur Sterilität. Begeisterter Beifall des Publikums.