Ingolstadt
Abstecher nach Schmuddelfing

12.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:33 Uhr
Der Bürgermeister von Schmuddelfing und Olchi-Mama haben einen Deal: Marvin Sperlich und Mandy Stange handeln ihn aus. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Schmuddelbrühe mit Fischgräten und Schuhsohlenschnitzel mit Plastiktütensalat zählen zu ihren Leibspeisen. Sie nehmen gern Müllbäder, amüsieren sich beim Matschknödelwerfen und schlafen, wann sie wollen, wo sie wollen und so lange sie wollen.

Sie sind grün, haben harte Haare, spitze Zähne, einen unverwüstlichen Magen und auf ihrem Kopf drei Hörhörner, mit denen sie Regenwürmer husten und Gänseblümchen wachsen hören: Die Rede ist von den Olchis. Der Münchner Autor und Illustrator Erhard Dietl hat diese Wesen erfunden. Und weil Kinder ihre Lust an der Anarchie teilen, sind die ungewöhnlichen Bewohner der Schmuddelfinger Müllhalde in vielen Kinderzimmern der Welt mittlerweile Kult. Das Ingolstädter Figurentheater hat jetzt nach dem „Grüffelo“ und dem „Grüffelokind“ die „Olchis“ als dritte Produktion ihres noch jungen Theaters auf die Puppenbühne gebracht. Derzeit spielen sie „Die Olchis räumen auf“ noch in Ingolstadt und der Region, bald geht es auf Bayerntournee. Das Figurentheater gibt es seit 2012, betrieben wird es von Mandy Stange (24) und Marvin Sperlich (25). Beide stammen aus alteingesessenen Puppentheaterfamilien, kennen das Metier – und auch das Reisen – von klein auf. Und haben auch schon als Kinder erste Rollen übernommen. Man kennt sich in der Szene, schaut auch mal, was die anderen so machen. So war es auch bei Mandy Stange und Marvin Sperlich. Sie trafen sich – und verliebten sich. Und planten bald ein eigenes Projekt – eben das Ingolstädter Figurentheater. Aber sie wollten weg vom Kasperl- und Märchentheater, sie suchten moderne Kinderbuchhelden. Den „Grüffelo“ etwa, dieses schreckliche Wesen, das sich eine kleine, schlaue Maus ausgedacht hat, um ihren Feinden Angst einzujagen – und das plötzlich leibhaftig vor ihr steht. Der Bestseller aus der Kinder-und-Eltern-Beglückungs-Krea-tivwerkstatt Julia Donaldson/Axel Scheffler war das erste Projekt des Ingolstädter Figurentheaters. Die beiden Puppenspieler sicherten sich die Aufführungsrechte und erstellten eine eigene Spielfassung mit Musik. Die Lieder schrieb Marvin Sperlich. Die Kulissen malte Mandy Stanges Vater, die Puppen baute ihre Tante, eine Puppenmacherin aus Köln. Ein Renner!

Im Jahr darauf folgte – klar – „Das Grüffelokind“. Nun sind es „Die Olchis“. „Dabei waren wir am Anfang sehr unsicher“, räumt Mandy Stange ein. Schließlich sind die Olchis Meister im Fluchen. „Muffelfurzteufel!“, heißt es da schon mal. „Käsiger Gichtgräten-Furz!“ oder „Krötiger Schlamm-Hühnerich!“ Nicht unbedingt Ausdrücke, die Eltern gern hören. Kinder dagegen schon. „Am Anfang haben wir ,Olchi-Pups‘ gesagt, bis dann mal eine Dame kam und sagte: ,Das ist ja toll, was Sie machen. Aber warum sagen Sie denn nicht Furz? Wir haben doch darauf gewartet.‘“, erzählt Mandy Stange. Sie lacht. Jetzt gibt’s das Original. Das junge Publikum liebt diese respektlosen Gesellen, die in einer verkehrten Welt leben und ständig Regeln übertreten.

Die größte Herausforderung bestehe stets darin, das Manuskript zu erstellen, erläutern die beiden. „Denn es gibt am Anfang immer viele Ideen, man will das Publikum auch einbeziehen. Und merkt erst nach den ersten Vorstellungen, was funktioniert, wie die Kinder reagieren, wo gelacht wird.“ Dann muss der Ablauf genau geplant werden: Wer spielt welche Puppe (beim „Grüffelokind“ gab es zehn Figuren), wer kümmert sich um die Soundeffekte, das Bühnenbild etc.. Bei den Olchis wird erstmals ohne Vorhang gespielt. Beim Umbau verschwinden einzelne Versatzstücke der Kulisse, andere tauchen auf: Olchi-Höhle, Bäume, das Rathaus von Schmuddelfing, das Büro des Bürgermeisters. Mandy Stange hat alles selbst gemalt bzw. aus Pappmaché hergestellt. „Bei den Sounds gibt es heute schon Apps, die einem weiterhelfen“, erklärt sie. Und weil alles live ist, kann natürlich auch mal was passieren. Wie kürzlich, als die Bürgermeistergattin fast den Kopf verlor – im wahrsten Sinne des Wortes. Kein Problem: Da retteten die Puppenspieler mit einem Witz die Situation.

Im Gegensatz zum zehn Kilo schweren Grüffelo sind die Olchis leicht. Und sie wohnen alle zusammen in einem Aluminiumkoffer, der gut zu transportieren ist. Schließlich ist das Ingolstädter Figurentheater ein Tourneetheater. Nach den Auftritten in Ingolstadt geht es ins Berchtesgadener Land, dann ins Allgäu, nach München und im Herbst wieder zurück nach Ingolstadt. Für das kommende Jahr haben sich Mandy Stange und Marvin Sperlich übrigens einen Kinderbuchklassiker ausgesucht: den „Räuber Hotzenplotz“ von Otfried Preußler. Ideen gibt es schon. Einen Teil der Puppen auch. Aber bis dahin fressen sich erst mal die müffeligen Olchis durch die bayerischen Müllberge. Schleime-Schlamm und Käsefuß!