Ingolstadt
Horror der Abschiebung

20Minmax eröffnet: Jonathan Behr erhält Preis für seinen Film "Fremde"

26.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:03 Uhr

Preisübergabe: Marcel Aigner, Geschäftsführer des Vereins Von der Rolle, gratulierte dem Sieger Jonathan Behr (rechts). - Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Das Publikum entschied vorhersehbar. Die zur Wahl stehenden Filme für den Südpreis, der zum Auftakt des 11. International Shortfilm Festivals Ingolstadt als Publikumspreis vergeben wurde, hatten dagegen jede Menge Spannung zu bieten. Der mit 500 Euro dotierte Preis ging an Jonathan Behr für den 16 Minuten langen Film "Fremde", der den Zeitgeist offenbar am besten bediente. Um das Thema Abschiebung besonders zu überspitzen, verarbeitet er es zu einem Horrorfilm. Zwei Mädchen, perfekt Deutsch sprechend - nur einer von mehreren der Realität wenig entsprechenden Aspekten - kuscheln sich im Bett aneinander, sie fürchten sich vor einem Eindringling, nachdem ein Nachbarmädchen kürzlich überfallen worden war. Dann kommt es tatsächlich zu einem nächtlichen Überfall einschließlich Fixierung eines kleinen Mädchens am Boden und Spritzen eines Betäubungsmittels - Gestapomethoden, die im Film der bundesdeutschen Polizei unterstellt werden. Künstlerische Freiheit? Das gehört wohl auch zu all dem, was eine freie Gesellschaft ertragen können muss. Ob es solch polemische Effekthascherei auf Kosten der Sicherheitskräfte in einer Zeit braucht, in der diese bis an die Grenzen belastet sind und gegen immer häufigere Übergriffe auf ihre Beamten kämpfen, muss der Regisseur mit sich selbst ausmachen - und das dies goutierende Publikum ebenfalls.

Schade für die anderen drei Bewerber, die mit subtileren Mitteln kaum weniger Spannung aufbauen. Andreas Kesslers Streifen "Blind Audition" setzt ganz auf die Ausdrucksstärke seiner Darsteller. Die Geiger Ari und Ron sind ein Paar und zugleich Konkurrenten in der Finalausscheidung für die Solistenstelle in einem Orchester. Kurz vor Rons Vorspieltermin - unsichtbar hinter einem Vorhang, um die Jury nicht zu beeinflussen - bekommt Ari zufällig mit, wie ein Jurymitglied Ron anbietet, als Erkennungszeichen einen Bleistift fallen zu lassen, damit er gegebenenfalls die Jury zu Rons Gunsten beeinflussen könne. Misstrauen schleicht sich in die Beziehung ein, wird in Mimik und Gestik zum Greifen fühlbar. Ob das junge Paar da herauskommen wird?

Ein kleines Happy End dürfen die Protagonisten der anderen beiden Filme erleben. Damian, der herzkranke Junge aus "14,47", dem Beitrag von Antoine Dengler, träumt von einem Kuss. Einmal, an eben jenem Tag, an dem er das magische Alter von 14,74 Jahren erreicht hat, in dem der Durchschnittsjunge seinen ersten richtigen Kuss erhält, will auch er "normal sein". Ein berührender, dabei durchaus turbulenter und spannungsreicher Film, der Teenagerprobleme liebevoll-witzig aufs Korn nimmt und in der Erkenntnis endet: "Der erste Kuss ist nie normal".

Benjamin Vornehm erzählt in "Changing Gears" vom dementen Herrn Hauser, der eigentlich längst im Seniorenheim sein müsste, aber vom Wohnungsräumkommando noch in seiner alten Wohnung angetroffen wird. Die Teamchefin, die unter anderem von festgeschraubten Möbeln überrascht wird, erweist sich als Mensch, der Film erreicht die Herzen des Publikums.

Insgesamt ein packender Kurzfilmabend um aktuelle gesellschaftspolitische Themen. Weitere Platzierungen waren Organisator Marcel Aigner nicht zu entlocken - nur so viel: Der Abstand zum Zweitplatzierten sei knapp ausgefallen.