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"Malerei als Gleichnis einer unbegreiflichen Wirklichkeit"

Thomas Heyden vom Neuen Museum Nürnberg über den Hype um den Maler Gerhard Richter

08.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:40 Uhr

Herr Heyden, ist Gerhard Richter ein überschätzter Künstler

Thomas Heyden: Die Ware Gerhard Richter hat mit seiner Kunst nur bedingt zu tun. Der Künstler distanziert sich ja selbst von den immer höheren Auktionsrekorden, die er als "eine erschreckende Entwicklung" kritisiert. Die Frage nach Richters Bedeutung ist davon unabhängig zu diskutieren. Ich halte ihn keineswegs für überschätzt. Er ist der einzige deutsche Maler, der seit Anfang der sechziger Jahre kontinuierlich seine Relevanz für die Gegenwartskunst beweisen konnte.

 

Was fasziniert Sie besonders an Richter?

Heyden: Seine reflektierte Haltung zu seiner Kunst. Seine Überzeugung, dass es in der Malerei darum gehe, eine "Analogie zum Unanschaulichen und Unverständlichen" zu schaffen. Malerei als Gleichnis einer unbegreiflichen Wirklichkeit.

 

Gibt es einen Grund, warum Richter sich immer wieder neue Techniken und Themen vornimmt?

Heyden: "Permanenter Stilbruch" als "Stilprinzip", wie das Klaus Honnef schon 1969 auf den Punkt gebracht hat, ist Ergebnis der Einsicht des Künstlers, dass es im Grunde keinen Unterschied gibt zwischen "den €špuren €˜ Bildern, die nur sich selbst darstellen, und solchen, die nur etwas abbilden". Selbst das strengste monochrome Bild entkommt nicht dem Illusionismus. Solche Erkenntnisse kennzeichnen das Schaffen Richters und begründen die Möglichkeit, zwischen abstrakten und gegenständlichen Bildern hin- und herspringen zu können.

 

Eine Gemeinsamkeit im Werk Richters gibt es möglicherweise: Er scheint seine subjektive Perspektive zurücknehmen zu wollen, indem er Fotografien quasi objektiv abmalt oder zufällig organisierte Farbtafeln kombiniert.

Heyden: Völlig richtig, das Subjekt tritt hinter das Bild zurück, das ein Teil jener grundsätzlich unverständlichen Wirklichkeit wird. Richters berühmtes Diktum "Meine Bilder sind klüger als ich" verdeutlicht seine Sicht. Historisch gesehen, steckt in dieser Preisgabe des Schöpfermythos ein dialektischer Pendelschlag. Als Richter 1961 in die Bundesrepublik kam, war das ein Ausweis intellektueller Redlichkeit angesichts der in die Krise geratenen Malerei.

 

Die Fragen stellte

Jesko Schulze-Reimpell.

 

 

ZUR PERSON

Thomas Heyden (56) ist promovierter Kunsthistoriker und arbeitet seit 1998 als Konservator am Neuen Museum Nürnberg. ‹ŒFoto: privat