Harte Drogen, schneller Sex

24.01.2011 | Stand 03.12.2020, 3:14 Uhr

Jugend auf dem Ego-Trip: Szene aus "Jeff Koons" von Rainald Goetz mit Hanna Plaß und Florian Innerebner. - Foto: Meiller

München (DK) Eine nachvollziehbare Handlung, gar einen linearen Aufbau, hat das nach dem US-amerikanischen Konzeptkünstler und Andy-Warhol-Konkurrenten Jeff Koons benannte Bühnenstück nicht.

Und mit diesem Pop-Artisten und Grenzgänger zwischen Kunst und Kitsch hat es auch wenig zu tun, sieht man einmal von Koons’ hier teilweise durchschimmernder Liaison mit Cicciolina, dem Ex-Pornostar und zugleich Abgeordneten im italienischen Parlament Ilona Staller, ab. Rainald Goetz wählte "Jeff Koons" zum Titel seines Stückes als Spiegelbild eines Teils der jugendlichen Gesellschaft, die stets auf Ego-Trip ist, deren zwischenmenschliche Beziehungen – trotz großes Getöses und wortreichen Gelabers – auf Eis liegt. Wichtig kommt sich jeder vor, doch letztlich sind alle nur reichlich aufgeblasene Typen. Goetz überhöht dies alles noch, indem er die Vereinsamung des Individuums, die Kommunikationsdefizite und das Destruktive dieser jungen Menschen in eine Welt voll harter Drogen, schnellem Sex und lautem Techno stellt.
 
Ein Schocker zweifellos, der gutbürgerliches Publikum nicht gerade ins Theater lockt, aber der den Irrsinn exzessiver Selbstdarstellung aufgrund Minderwertigkeitsgefühle kongenial eingefangen hat. Eine ideale Vorlage jedenfalls für Schauspielschüler, die als Abschlussarbeit zeigen wollen, was sie – zusätzlich zu ihrer Mimen-Begabung – in ihrem Unterricht gelernt haben. Und das ist eine ganze Menge: Furios rast und wütet der dritte Jahrgang der Otto-Falckenberg-Schule unter der Regie von Christiane Pohle über die Bühne des Werkraumtheaters, umschlossen von den rundum platzierten, teilweise ins Spiel integrierten Zuschauern an den silbrig glänzenden Wänden. Ein wüstes, faszinierendes Gemisch aus wirren Monologen, hysterischen Anfällen, Gewaltorgien und zwanghafter Rituale dieser – wie der Autor als Mediziner und Kenner des Elends der Psychiatrie diagnostiziert – im "Ich-Körper" gefangenen Jugendlichen. Der ganze Kulturpessimismus des 1954 in München geborenen Dramatikers, Romanciers und Lyrikers Rainald Goetz wird hier voll Ingrimm ausgekotzt und die latente, durch Sprachlosigkeit geförderte Aggressionsbereitschaft brutal gezeigt.
 

Aber auch einige ungemein melancholische Passagen weist diese Aufführung zwischen Wirklichkeit und Fiktion, zwischen realen Albträumen und Horrorszenarien auf. Am Schluss etwa, wenn in einer Videosequenz die Vereinzelten und Vereinsamten an einer Omnibushaltestelle zusammentreffen: still, stumm, sprachlos, schweigend. Wortlos besteigen sie den Bus, um im Regen ins Nirgendwo zu fahren. Da läuft es nicht wenigen Zuschauern kalt über den Rücken.

Das Premierenpublikum feierte mit viel Applaus das Produktionsteam und vor allem die Schauspieleleven, von denen die meisten zweifellos beste Aussichten auf Engagements in großen Schauspielhäusern haben.

Weitere Aufführungen heute, 25., und am 31. Januar. Kartentelefon: (0 89) 23 39 66 00.