Abenberg
Groll gegen die Mächtigen

18.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:55 Uhr

Verwandte Seelen: Hannes Wader (rechts) und Konstantin Wecker bei ihrem Konzert auf Burg Abenberg. - Foto: Fischer

Abenberg (DK) Sie ergänzen sich perfekt: Der eine spielt die Lieder des anderen, und dieser präsentiert Songtexte von jenem als Lyrik und nimmt sie gar in eine Anthologie zwischen die Gedichte von Rilke und Benn mit auf: Nach sieben Jahren sind Konstantin Wecker und Hannes Wader wieder gemeinsam auf Tour. Wie gut sie aufeinander eingespielt sind, zeigte ihr Open-Air-Konzert am Donnerstag auf Burg Abenberg: Über drei Stunden lang boten sie vor fast 2000 Besuchern ihr Repertoire; davor war schon ab 18.30 Uhr eine Stunde lang Barbara Thalheim zu hören.

Die Berliner Liedermacherin gilt als eine der besten deutschen Chansonsängerinnen; sie präsentierte zehn Songs, die sich mit Erinnerungen an den Osten und mit Gefühlen beschäftigen – etwa der Song "Schwester der Liebe", ein Lied über die Eifersucht, zu dem sie das Schicksal einer jungen Freundin inspirierte. In einem weiteren Song ging es um "Die kleine Afrikanerin" – eine Kritik der europäischen Lebensweise aus fremder Sicht; auch eine Hommage an Edith Piaf ist zu hören. In Abenberg zeigte sich Barbara Thalheim tief berührt, ausgerechnet an einem 17. Juni auftreten zu dürfen.
 

Pünktlich ab 20 Uhr stehen dann Konstantin Wecker und Hannes Wader auf der Bühne; begleitet werden sie von Weckers langjährigem Partner an den Keyboards Jo Barnikel, dem Dänen Nils Tuxen (elektrische und akustische Gitarre) und Hakim Ludin (Percussion). In der ersten Hälfte des Konzerts, das mit dem neuen Lied "Leben im Leben" (das der "Kein Ende in Sicht"-Tour den Titel gab) beginnt, dominieren Lieder voller Melancholie, aber auch Selbstironie, vor allem, wenn es um das Alter geht.

Wader singt sein Lied "Schön ist das Alter", worin viele mit einstimmten – das Durchschnittsalter der Besucher dürfte kaum unter 50 gelegen haben. Dazu passten auch Titel wie "Damals", "Trotz alledem", "Blick zurück" oder "Nun muss ich gehen". Dazwischen kommen immer wieder perfekte instrumentale Partien zur Geltung, etwa in einem "Dialog der Tasten" zwischen Wecker und Barnikel.

Einen Vorgeschmack auf die zweite Hälfte des Konzerts, in der politische Lieder dominieren, gibt Weckers Lied von der "Feinen Gesellschaft am Rande des Abgrunds"; man begegnet Weckers "Willy" wieder – und den unweigerlichen Zornausbrüchen des bayerischen Songschreibers: Wecker wettert gegen "milliardenschwere Psychopathen" und "superreiche Soziopathen", poltert gegen Politiker – und hat dazu Neues zu bieten: In "Gutti Land" schießt er sich höchst aktuell frontal auf den Verteidigungsminister ein – "den Kriegsminister mit gegeltem Haar / den Bankenretter, den Superstar". Der Refrain ("Gutti bringt das Land voran – nicht nur in Afghanistan!") bezieht besondere Brisanz daraus, dass Percussionist Hakim Ludin aus Afghanistan stammt.

Internationales Flair erhält das Konzert durch italienische und spanische Songs, etwa aus dem Spanischen Bürgerkrieg ("Mamita mia"); einen Sprachtransfer ganz anderer Art leistet Wecker, wenn er Waders plattdeutsches "Du min leefste büst" auf bayerisch bietet. Nachdem Wecker die Bühne verlassen und im Publikum weitergesungen hatte, erfolgte ein Run der nun aufgestandenen Zuhörer auf die Bühne; in einer kaum mehr enden wollenden Flut von Zugaben ertönen mit "Heute hier, morgen dort . . . " und dem berühmten "Liebeslied" ("Ich möchte am Abend mit dir auf fremden Balkonen sitzen") Klassiker des Duos, deren "verwandte Seelen" und pure Spielfreude an diesem Abend rasch auf das in Erinnerungen schwelgende Publikum übergriff.