Gelungenes Wagnis

19.10.2008 | Stand 03.12.2020, 5:30 Uhr

Meisterleistung: Dem Motettenchor unter der Leitung von Felix Glombitza gelangen in der Ingolstädter Asamkirche fesselnde Deutungen der Chorwerke von Louis Spohr. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Nach dem Tod Beethovens war Louis Spohr der berühmteste Komponist seiner Zeit – heute ist er hauptsächlich wegen seiner Violinschule bekannt. Ein Konzert, ausschließlich mit Chor-Werken Spohrs, ist daher Seltenheit und Wagnis zugleich: Überzeugend lässt sich dessen romantisch harmonische Vielschichtigkeit und die komplexe, teilweise zehnstimmige Verzahnung der Melodielinien nur schwer umsetzen.

Der Ingolstädter Motettenchor unter Felix Glombitza meisterte diese Herausforderung bei seinem Konzert in der Asamkirche bravourös. Bis ins kleinste musikalische Detail ausgearbeitet und mit makellos präziser Artikulation verwoben sich die einzelnen Stimmgruppen zu beeindruckend homogenem Wohlklang. Auch die dynamische Bandbreite des Chores ist enorm – vom hauchzarten, dennoch eindringlich-tragendem Piano bis hin zu einem energiegeladenen, niemals mit Druck erzeugten Forte.

Eine rein technisch versierte Interpretation des anspruchsvollen Notentextes wäre sicherlich Gefahr gelaufen, in Felder der Langatmigkeit abzudriften – dass genau dies zu keinem Zeitpunkt geschah, ist das Verdienst und zugleich ein Markenzeichen von Felix Glombitza. Sein zwingendes Dirigat transportierte stets äußerste Konzentration und eine extrem wandelbare Ausdruckspalette. Hochromantische Komplexität zwischen subtiler Traurigkeit und überschwänglichem Frohsinn geriet so zu fesselnder, mitreißender Vitalität.

Zwei Orgelsonaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy fügten sich thematisch sinnvoll ins Programm – Martin Sokolls dichtes, eindringliches Spiel ließ bei hervorragend durchdachter Registrierung den ausdrucksintensiven Spannungsbogen niemals abreißen.

Höhepunkt des Konzertes und kompositorisch stärkstes Chorwerk war die Messe op. 54 von Louis Spohr. Facettenreiche Satztechnik führte hier zu faszinierenden Ergebnissen: Hingebungsvoll interpretierte der Chor das wunderschöne "Kyrie", beim zart schwebenden Beginn des "Agnus Dei" fungierte der rhythmisch vibrierende Sprechgesang in der Begleitung des Solisten-Quintetts als orchestral anmutender Klangteppich. Die wenigen inniglichen Passagen der Solo-Gruppe bereicherte gerade der warme und ganz speziell gefärbte Mezzosopran von Ursula Maxhofer-Schiele – während neben ihren Kollegen Renate Kaschmieder (Alt), Ferdinand Seiler (Tenor) und dem samtweichen Bass von Nikolai Ardey die Sopranistin Andrea Wurzer manchmal stimmlich etwas zu stark dominierte.

Insgesamt bleiben ein ungemein transparenter Gesamteindruck und die feinsinnige Ausgewogenheit der Tempi in Erinnerung. Wenn die hoch komplizierte Harmonik des noch dazu recht unbekannten Chorwerkes Spohrs so packend präsentiert wird, ist dies eine Meisterleistung im Dienste der Musik, die vom zahlreich erschienenen Publikum respektvoll gewürdigt wurde.