Fremde im eigenen Land

26.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:31 Uhr

Die Russlanddeutschen, Mutter und Tochter, sitzen zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat zwischen allen Stühlen (Patricia Litten, links, und Henriette Schmidt). - Foto: Bührle

Nürnberg (DK) Als Wanderer zwischen zwei Welten sitzen sie zwischen allen Stühlen – die Russlanddeutschen. In Russland werden sie als Deutsche diskriminiert und in Deutschland als Russen stigmatisiert. In der aktuellen Integrationsdebatte spielen sie keine Rolle und in Sarrazins Pamphlet "Die Deutschen schaffen sich ab" kommen sie gar nicht erst vor.

In Deutschland leben etwa 4,5 Millionen Russland-Deutsche und allein in Nürnberg machen sie mit 50 000 Menschen zehn Prozent der Bevölkerung aus. Vermittelt über die Arbeiterwohlfahrt, die evangelische Kirche und dem "Haus für Aussiedler und Vertriebene" führte Gesine Schmidt vor allem in Nürnberg, aber auch in Berlin und Bandenburg mit 21 Russlanddeutschen – zwischen 17 und 90 Jahre alt – Gespräche und Interviews, woraus der Bilderbogen von Zwiegesprächen und Monologen entstand, den Patrick Schimanski sehr eindringlich, ja berührend (mit den Schauspielern Henriette Schmidt, Patricia Litten, Rebecca Kirchmann, Pius Maria Cüppers und Thomas L. Dietz) in Szene setzte. Im Bühnenbild von Ulli Remmert sitzen sie dann auf wechselnden Sitzgelegenheiten auch buchstäblich zwischen allen Stühlen und erzählen mit Nostalgie und Wehmut ihre Geschichten von der alten Heimat und dem neuen Daheim, singen ihre melancholischen Lieder, erinnern sich im Chor an die Vergangenheit – und fragen sich, ob sie, die doch alle, als Aussiedler, Flüchtlinge oder Vertriebene, etwas "Deutsches" mitbrachten, die "besseren Deutschen" sind unter lauter Deutschen, die mit "Deutschland" längst nichts mehr anfangen können.