Formalität und Emotion

27.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:53 Uhr

Ingolstadt (DK) Vier Schauspieler in neun Rollen. Vier Menschen in vier Paarungen, noch mal vier „Beziehungen“ verknüpfend drumherum. Simultanität auf der Bühne. Oder Verschränkung: zweimal zwei hier, viermal eins da.

Formalität und Emotion. Abstraktes Experiment, konkretes Erzähltheater. Das ist „Lantana“. Keine leichte Aufgabe für die Bühne. Das Regensburger Theater scheitert denn auch prompt.
 
Jens Zimmermann setzte das Stück des australischen Autors Andrew Bovell in Szene, das die Vorstellungen der Theatertage im Kleinen Haus eröffnete. Ausverkauft, vielleicht auch wegen Nikola Norgauer, vorher hiesiges Ensemblemitglied. Zusammen mit Silke Heise, Paul Kaiser und Hubert Schedlbauer sucht sie, den Gewaltakt des sprachlich virtuosen, zwei Stunden Hauptrollenpräsenz von jedermann verlangenden Stücks zu stemmen. Trotz mitunter beeindruckender Leistungen hier wie da, einiger dichter Momente: In der zerfranst überladenen Inszenierung hat das wenig Chance auf Vermittlung.
 
Dabei fängt alles vielversprechend an und bekommt bis zur Pause auch noch richtig Zug. In der wandelbaren Kulisse Peter Engels – elegante, langgestreckte Holzquader, die eingangs zwei Hotelzimmer definieren – treffen sich Leon und Sonja, Jane und Pete. Jeder mit dem Partner des anderen verheiratet, nun nichtsahnend in chorhafter Simultanität den Ehebruch beginnend. Hat Zimmermann auch das schöne Motiv des (doppelten) gemeinsamen Tanzes als Intro weggelassen und seine Paare stattdessen gleich in Hotelbademäntel gesteckt, mag man sich auch die Formalität der Vorlage artifizieller umgesetzt gewünscht haben: Die Verschränkungen des Simultansprechens und -agierens klappen als Einstieg ins Geschehen.
 
 Später begegnen sich die beiden Männer, die beiden Frauen, die beiden Ehepaare, und Geschichten werden erzählt: Von anderen Männern, anderen Frauen, anderen Paaren. Hier punkten die Schauspieler, hier entstehen Abstraktion und Spannung: frei entworfene Beziehungsmodelle, ebenso fiktiv wie wahr. Doch wo Bovell schließlich die, von denen erzählt wurde, als neue Figuren in verschränkte Soli stellt, deren Wahrheiten bis zuletzt bebend offen bleiben, verrät Zimmermanns Inszenierung nur noch Überforderung. Die er mit allen theatralen Mitteln überdecken will. Videoeinspielungen, Weihnachtsmanns- und Schneewittchenkostüme, Schauspieler, die auf hochgestellten Quadern thronen oder als Witzgestalt im Rollstuhl sitzen: Notlösungen, die zusammen mit Kürzungen die schönsten Textstellen degradieren und den schillernden Mensch- und Beziehungsentwürfen des Stücks den Garaus machen.