Es
Wem gehört die Einheit?

Drei SPD-Autoren verschenken die Chance, mehr Licht in die Wendezeit zu bringen

29.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

Für die SPD brachte die Wende eine neue Einheit: SPD-Vorsitzender Ost, Wolfgang Thierse (li.), zusammen mit SPD-Vorsitzendem West, Hans-Jochen Vogel, während eines Parteikongresses in Bonn am 14. Juni 1990. - Foto: Spiegl/imago

Es geht um eine Richtigstellung. Drei prominente Sozialdemokraten wollen mit der Legende aufräumen, dass die deutsche Einheit vor einem Vierteljahrhundert im Wesentlichen die Leistung des damaligen CDU-Kanzlers Helmut Kohl war.

Gegen Parteipropaganda und Personenkult soll die historische Wahrheit gestellt werden. Das ist sicher verdienstvoll, allein hier wurde eine Chance verschenkt.

Das liegt vor allem an Hans-Jochen Vogel, damals SPD-Vorsitzender und Oppositionsführer, der den Groß- und Hauptteil des Buches verfasst hat. Wenn er die überaus turbulente Wendezeit beschreibt, als die abgewirtschaftete DDR in sich zusammenfiel, sich tausend Fragen stellten und niemand sich in Deutschland der emotionalen Achterbahn entziehen konnte, dann kommt das als ermüdende Abfolge von Parteitagsanträgen und Gremienbeschlüssen daher.

Das Interessanteste an Vogels Ausführungen sind noch die larmoyanten Klagen darüber, wie Kohl alle sozialdemokratischen Kooperationsangebote ignorierte und auch in schicksalschweren Stunden zuallererst Machtmensch und CDU-Parteipolitiker war. Da ist etwa die Episode um Kohls Zehn-Punkte-Plan zur Einheit, der damals die Diskussion beherrschte. Zu Unrecht, meint Vogel, da er selbst eineinhalb Stunden vor Kohl am 28. November 1989 im Bundestag einen inhaltlich völlig konformen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt hatte. Allerdings hatte Kohl sein Papier schon am Vortag unters Volk bringen lassen, womit ihm das Medieninteresse gesichert war. Vogel schreibt heute dazu: „Leider habe ich von einer solchen Vorinformation abgesehen.“ Wie einem Politprofi wie Vogel so ein Schnitzer unterlaufen konnte, dazu schreibt er nichts.

Statt dessen reiht er die enttäuschten Hoffnungen der SPD im Zusammenhang mit der deutschen Einheit auf, allerdings nur, was die verfassungs- und staatsrechtlichen Zusammenhänge betrifft. Andere Aspekte kommen nicht vor. Etwa die Abwicklung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhand, die gigantischen Vermögenstransfers nach der Wende und die Massenarbeitslosigkeit und sozialen Verwerfungen im Osten.

Dafür dokumentiert Vogel immer wieder, dass Oskar Lafontaine, damals SPD-Kanzlerkandidat sich mit seinen vereinigungskritischen Vorstößen niemals auf die offizielle Parteilinie – für die Vogel stand – stützen konnte. Da wünscht man sich bisweilen einen ungeschminkten Streit zwischen dem braven Verwalter Vogel und dem politischen Feuerkopf Lafontaine. Wie unterschiedlich sie mit- und gegeneinander die Einheitsgeschichte erlebt und erlitten haben, das könnte wirklich informativ sein, über die SPD und die deutsche Einheit.

Hans-Jochen Vogel, Erhard Eppler, Wolfgang Thierse: Was zusammengehört. Die SPD und die deutsche Einheit 1989/90. Herder, 288 Seiten, 19,99 Euro.