Er
Lebensgeschichten im Comic-Format

26.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Foto: DK

Er ist eine Legende des Boxsports: Cassius Clay, der sich später Muhammad Ali nannte, olympisches Gold gewann und mehrfach Weltmeister im Schwergewicht war. Kurz nach seinem Tod im Juni dieses Jahres kam eine Biografie auf den Markt - in Comic-Form. Wer sich durch die Verlagsprogramme blättert, entdeckt viele Comic-Biografien: über Sophie Scholl und Steve Jobs, Fidel Castro und Karl May, Agatha Christie und Hergé, der selbst mit "Tim und Struppi" eine der erfolgreichsten Comic-Serien aller Zeiten erschaffen hat.

Zuletzt hat Reinhard Kleist mit seiner Graphic Novel "Der Traum von Olympia" Aufmerksamkeit erregt, erzählt er doch in berührenden Bildern die wahre Geschichte der Olympionikin Samia Yusuf Omar, die auf ihrer Flucht nach Europa vor Malta starb. Es ist eine Geschichte, die sich in diesen Tagen tausendfach wiederholt. Schon in seinem Vorgänger-Comic "Der Boxer" hatte Reinhard Kleist über den jüdischen Boxer Hertzko Haft geschrieben, der im Konzentrationslager von seinen Bewachern zum Faustkampf gezwungen wurde und daraus seine Überlebensstrategie machte. Sein Sohn hatte das Leben des Vaters in dem Buch "Eines Tages werde ich alles erzählen" geschildert. Kleist stieß zufällig darauf und zeichnete im Einzelschicksal Weltgeschichte auf.

Genau das ist es, was Comic-Biografien so interessant macht, erklärt Sabine Witkowski, Lektorin für Comics beim Carlsen-Verlag. Ein Teil der Comic-Biografien widmet sich spannenden Persönlichkeiten, ein zweiter Teil aber Menschen, die zwar nicht sehr berühmt geworden sind, deren Schicksal aber exemplarisch für viele Schicksale steht, die unerzählt bleiben. Ihrer Meinung nach sind Comic-Biografien ein Trend, der schon eine Weile anhält. "Angefangen hat es sicher mit Art Spiegelmans ,Maus €˜ und ,Persepolis €˜ von Marjane Satrapi. Beide haben Türen aufgestoßen und gezeigt, dass Comics nicht nur lustig sein müssen, sondern sich auch ganz ernsthaft mit dramatischen Biografien auseinandersetzen können", erklärt Witkowski.

In "Maus" erzählt Art Spiegelman die Geschichte seines Vaters, eines Auschwitz-Überlebenden. Dabei zeichnet er Juden als Mäuse und Deutsche als Katzen. 1980 wurde der Comic veröffentlicht, 1992 erhielt Spiegelman dafür den Pulitzer-Preis, ein Novum für einen Comic. Und eine Inspiration für Marjane Satrapi. Ihre Autofiktion "Persepolis" schildert die Geschichte von Marji, die in ihrer Kindheit die Islamische Revolution im Iran miterlebt.

Mit zunehmender Akzeptanz des Mediums Comic kommt natürlich auch mehr auf den Markt. Und Spannendes kommt jetzt nicht nur aus den traditionellen Comic-Ländern wie Frankreich, Belgien und Japan, sondern auch aus Deutschland, erklärt Sabine Witkowski.

Seit einigen Jahren schon gibt es einen anhaltenden Boom der Graphic Novels, sagt Wolf Stegmaier von der Egmont Ehapa Media GmbH. Der Begriff "Graphic Novel" lässt sich übrigens nicht eindeutig definieren, meint aber eine Sonderform des Comics, eher ernsthafte illustrierte Literatur, also gezeichnete Romane für Erwachsene. Während der deutsche Comicmarkt zuvor eher von humoristischen Stoffen (Disney, Asterix, Lucky Luke) und Fantasy- und Abenteuer-Comics dominiert war, hielten plötzlich realistische Stoffe Einzug in den Comic - und damit eben auch Biografien. Zu Stegmaiers   derzeitigen Favoriten zählt etwa die über James Joyce: "Das Leben dieses Mannes bietet Stoff für zig Romane unterschiedlichster Genres - unglaublich, was der alles erlebt hat."

"Comic-Biografien bieten einen Mehrwert", meint Marc Schmid, Lektor beim Knesebeck-Verlag und zuständig für den Comic-Bereich. "Man bekommt schnell einen Überblick über ein spezielles Leben, andererseits fächert sich eine ganze Bildwelt vor einem auf - und auf einen Blick können komplexe Problematiken erklärt werden. Beispielsweise die Rassendiskriminierung in ,Muhammad Ali €˜: Man sieht einen Jungen im Bus und darüber ein Schild ,Colored - seated in rear €˜ (Schwarze nur in den hinteren Sitzreihen)."

Während sich bei den großen Verlagen im Bereich der Comic-Biografien ein breites Spektrum über Künstler, Politiker, Sportler, Wissenschaftler und andere Persönlichkeiten der Geschichte finden, hat sich Willi Blöß auf bildende Künstler spezialisiert. 1996 fing er mit einem Comic über Joseph Beuys an - eine Auftragsarbeit. Ein Sammler von Fluxus-Kunst hatte die Idee, Beuys seinen Freunden und Kunden einmal anders zu präsentieren. Der Spaß an der Arbeit und die positive Resonanz überraschten Blöß. Er trug die Idee der Künstler-Comics verschiedenen Verlagen an - und wurde abgewiesen. Also gründete er im Jahr 2002 selbst einen Verlag und startet mit fünf Titeln: neben Beuys auch Picasso, Andy Warhol, Vincent van Gogh und Hieronymus Bosch. "Bei vielen Künstlern hat man nur Klischees im Kopf. Mich hat gereizt, mich intensiv mit ihrem Leben und Werk auseinanderzusetzen", erklärt Blöß. Trotz aufwendiger Recherchen und geringem Verdienst schreibt er seine Serie der Künstler-Comics kontinuierlich fort - "ein idealistischer Kraftakt". Die 27. Comic-Biografie erscheint im September - und handelt von Wilhelm Busch.