Elben in Eichstätt

Weltgrößtes Archiv des literarischen Tolkien-Freundeskreises der "Inklings" in der Unibibliothek

02.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:32 Uhr

Ein von J. R. R. Tolkien angefertigtes Bild: Franz Heiler, Mitarbeiter der Unibibliothek der KU Eichstätt, zeigt Schätze aus dem Archiv des Tolkien-Freundeskreis - Foto: Buckl

Eichstätt (DK) Seit wann liegt Mittelerde im Altmühltal, wie kamen die Elben nach Eichstätt, wieso hausen hier Hobbits? Schlagzeilen wie diese rauschen seit Jahren durch den Blätterwald, und tatsächlich stellt der Ingolstädter Rekord-Lesemarathon aus „Der Herr der Ringe“ nicht den einzigen Bezug der Region zu dem britischen Autor J. R. R. Tolkien dar: Seit 1994 beherbergt die Eichstätter Unibibliothek das weltweit größte Archiv des literarischen Tolkien-Freundeskreises der „Inklings“.

\tDer Name bedeutet „dunkle Ahnungen“ und zugleich „Tintenkleckse“: So nannte sich in den 1930er und 1940er Jahren ein Oxforder Gelehrtenfreundeskreis, zu dem neben John Ronald Reuel Tolkien auch C. S. Lewis (der Verfasser der „Chroniken von Narnia“), Charles Williams und Gilbert Keith Chesterton (der Autor der Geschichten um „Pater Brown“) gehörten, dazu Dorothy Leigh Sayers und George MacDonald. Die meisten von ihnen hatten hauptberuflich mit Philologie zu tun, in ihrer Freizeit lebten sie ihr Faible für Fantasiewelten aus. Sie trafen sich regelmäßig zu Kamingesprächen und lasen sich gegenseitig selbst verfasste Fantasy-Texte vor, um dann, bisweilen schonungslos, Kritik am gerade Gehörten zu üben – mit diesem Gebaren eine Art britischer Vorläufer der deutschen „Gruppe 47“.

\tDer Kreis existierte bis in die 60er Jahre, manche der Mitglieder wurden berühmt, bald bildete sich ein rasch wachsendes Heer an Anhängern, darunter der junge Aachener Student Gisbert Kranz, der 1940 auf die „Inklings“ stieß und zu einem fast fanatischen und besessenen Sammler ihrer Literatur werden sollte. Bald platzte seine private Sammlung aus allen Nähten, im eigenen Haus war für die rund 4000 Titel kein weiterer Platz mehr. Nachdem sein Versuch, die Sammlung der Aachener Diözesanbibliothek zu vermachen, gescheitert war, sprach Kranz, der 1983 in Aachen „Die Internationale Inklings-Gesellschaft für Literatur und Ästhetik“ gegründet hatte, als deren erster Präsident er bis 1993 fungierte, einen Eichstätter „Inkling-Bruder“ an – Nikolaus Lobkowicz, damals Präsident der Katholischen Universität. Der nahm das Angebot, das Archiv nach Eichstätt zu bekommen, nur zu gern an.

So kam das Konvolut in die Staats- und Seminarbibliothek am Hofgarten. Bedingung für die Schenkung war die Zusage, die Sammlung zu ergänzen und durch einen Katalog zu erschließen. Den legten die Bibliothekarinnen Helga König und Cordula Schütz 2001 vor – er verzeichnet auf fast 500 Seiten 3816 Titel von Primär- und Sekundärliteratur und ist so „eine Spezialbibliografie zum Thema der Oxforder Inklings“, wie der früher zuständige UB-Fachreferent Gernot Lorenz, schwärmt. Längst wurde der Bestand durch weitere Schenkungen und eigene gezielte Ankäufe der UB kontinuierlich erweitert – etwa durch 24 Zeitschriften-Abos aus entlegenen Verlagen in Norwegen oder Australien.

\tIm Magazin der Hofgartenbibliothek lagern heute 35 rote Pappkartons, etwa mit 290 Handschriften der Oxforder Inklings, Korrespondenz zwischen Kranz und Tolkien junior, sogar ein Notenblatt für die „fantastischen Gesänge“ der Mittelerden-Bewohner, getextet von Tolkien, ist darunter. Eichstätt besitzt so eines der umfangreichsten Tolkien-Archive der Welt: Bücher, Schautafeln, Zeichnungen von und über Tolkien, sogar 13 Originaltonbänder mit szenischen Aufnahmen des „Lord of the Rings“, aufgezeichnet für ein unveröffentlicht gebliebenes Hörspiel der BBC – laut Lorenz „ein weltweit einmaliger Bestand“. Zwar finden sich keine originalen Handschriften oder Manuskripte Tolkiens. Aber bestaunen kann man viele wertvolle Erstausgaben, nicht selten signiert, und Zeugnisse von Vertretern des Oxforder Kreises. Zu den jüngsten Erwerbungen der UB gehört eine ledergebundene Prachtausgabe des „Herrn der Ringe“ mit farbigen Kapitelanfängen und Zierinitialen im Stil mittelalterlicher Buchmalerei: „Dieses Werk besitzt in Deutschland neben Eichstätt nur noch eine einzige weitere Bibliothek“, sagt Lorenz.