Ingolstadt
Eine andere Sicht auf die Welt

10.05.2011 | Stand 03.12.2020, 2:50 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Wer ist der Mann, der sich in einem Park umblickt, nervös hin und her rennt und immer wieder den Namen "Jara" ruft? Ein verzweifelter Vater, der seine Tochter sucht, glaubt der Zuschauer während der ersten Szenen eines Schwarz-Weiß-Filmes.

Regisseurin Teresa Hoerl dreht an der Zeitschraube und spielt in dem gut elf Minuten langen Streifen "Du bists" mit Zeitsprüngen. Irgendwann wird dem Zuschauer im Kinosessel einiges klar: Der Mann outet sich als Nachbar. Er beobachtet junge Mädchen auf dem Spielplatz. Einfühlsam kommt er mit Jara in Kontakt, schubst sie auf der Schaukel an, erzählt ihr von ihm und hört mit dem Mädchen Musik. Doch spätestens als er den iPod in seiner Hosentasche versteckt und Jara auffordert, den iPod zu suchen, als sie ihn zurück haben möchte, stockt dem Zuschauer der Atmen. So überraschend, wie sich die Stimmung in "Du bist’s" wandelt, so abrupt kommt auch das Ende. Es lässt den Zuschauer im Unklaren, und gibt ihm Raum für seine Fantasie, für das was noch folgen könnte.

Zehn Filme flimmerten zum Auftakt der fünften Auflage des Kurzfilmfestivals 20min|max über die Leinwand des Audi-Programmkinos. Noch bis zum Donnerstag sind dort und im Fronte-Kino Kurzfilme quer durch alle Genres zu sehen, ehe am Freitag im Theater Ingolstadt das Finale über die Bühne geht.

"Wir wollten zeigen, wie etwas entsteht, vor dem wir als Kinder immer gewarnt wurden", erzählt Teresa Hoerl von der Idee zu ihrem Film. Die junge Frau, die wie viele andere Regisseure persönlich zu 20min|max kommt, um ihren Film vorzustellen, studiert an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. In ihrem Fach Spielfilmregie ist sie als Frau in einer Männerdomäne. Doch Hoerl arbeitet schon an ihrem nächsten Projekt. Wieder ein Kurzfilm, aber dieses Mal in Farbe. "Ich freue mich schon."

Die Organisatoren des 20 min|max haben heuer darauf verzichtet, die Filme an den einzelnen Tage in Kategorien einzuteilen. Ein Gewinn für das Festival. So wird die gesamte Bandbreite des Kurzfilmes an einem Abend deutlich. Zwar dominieren die Spielfilme, doch es sind auch Experimental-, Dokumentar-, Animationsfilme und Musikvideos im Programm. "Die Hälfte der Filme kommen nicht aus Deutschland", sagt die Organisatorin Bettina Reinisch. Das zeigt die internationale Bekanntheit des Ingolstädter Kurzfilmfestivals nach fünf Jahren.

Stille herrscht während der ersten Sekunden von "Losheng Sisyphos". Dann wird es laut in dem Dokumentarfilm von Chien-Hao Chen aus Taiwan. Er dokumentiert in beklemmender und faszinierender Art den Protest eines Künstlers. Der rollt einen 84 Kilogramm schweren Stein vor das Büro des Präsidenten. Seine ungewöhnliche Aktion erinnert an den Held Sisyphos der griechischen Mythologie. Der Künstler will damit auf die Schließung eines Krankenhauses aufmerksam machen. Das hatten in den 1930er Jahren die Japaner für Lepra-Kranke gegründet.

Bei aller Vielfalt, eines haben die Filme des Kurzfilmfestivals gemeinsam: Sie ziehen den Zuschauer in ihren Bann. Überraschend, nachdenklich, selbstironisch und manchmal mit einer etwas anderen Sicht auf die Dinge.