Eichstätt
Rastlos bis ins Alter

Der Komponist Günter Thim feiert heute seinen 90. Geburtstag – und denkt nicht ans Aufhören

02.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:32 Uhr

Günter Thim lebt seit 1962 in Eichstätt - Foto: jsr

Eichstätt (DK) 90 Jahre wird der Eichstätter Komponist Günter Thim heute, aber müde oder resigniert wirkt er keinen Augenblick lang. Im Gegenteil: Rastlos komponiert er, ist neugierig und springt im Gespräch immer wieder auf, um schnell ein Buch zu finden, mit dem er seine Thesen untermauern kann.

Nach wie vor wissbegierig verfolgt er neue musikalische Entwicklungen. Mit dem Komponieren aufzuhören – daran ist bei ihm nicht zu denken.

Gerade ist er damit beschäftigt, ein Stück für vier Blockflöten zu schreiben, das auch Amateure bewältigen können. „Keine leichte Aufgabe“, meint er und muss dabei an die abfälligen Bemerkungen des Musikphilosophien Theodor W. Adorno über dieses Instrument denken. Um einen Zugang zu der Aufgabe zu finden, hat er selber noch einmal begonnen, Blockflöte zu spielen. „Es geht ganz gut“, findet er.

Zur Welt kam Günter Thim 1922 in Zanow in Pommern. Seine Eltern liebten Musik und pflegen die Hausmusik. Wichtiger war für Thim allerdings der Großvater, der ihn lehrte, Chorsätze zu schreiben. Das gefiel ihm, denn „ich fand Aufmerksamkeit in der Familie“.

Der Krieg unterbrach Thims musikalische Bemühungen. Nach 1945 studierte er in Stuttgart, Marburg und Berlin Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Philosophie, Komposition und Klavier. Als Musiker musste er sich mühselig durchschlagen, trat als Salonpianist in Bars auf und spielte in Musikgeschäften. Seine ersten Kompositionen, die unter anderem auch in der Berliner Philharmonie aufgeführt wurden, wurden mit Naturalien bezahlt. In dieser Zeit lernte er die Werke von Paul Hindemith, Boris Blacher, Igor Strawinsky kennen. Komposition studierte er unter anderem bei Werner Eck. Thim wendete sich unter dem Eindruck dieser Komponisten vom neoklassizistischen Stil ab und suchte neue Ausdrucksmöglichkeiten. 1958 entstand die „Messe in A“, die er immer noch für eins seiner besten Werke hält. Es wurde in der St.-Hedwig-Kathedrale in Berlin unter der Leitung von Karl Forster uraufgeführt. Leonard Bernstein fand hinterher für das Werk sehr lobende Worte, bezeichnete es als „aufrichtig und einfallsreich“ und empfahl es drei amerikanischen Chören zur Aufführung.

In den 60er Jahren – inzwischen war Thim von Berlin nach Eichstätt übergesiedelt – befand er sich im Zentrum des musikalischen Geschehens. Neben seinem Beruf als Lehrer, war er Stipendiat für die Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt und lernte dort alle wichtigen Gegenwartskomponisten kennen von Luigi Nono bis Karlheinz Stockhausen. Als Landesvorsitzender der „Jeunesse Musicale Berlin“ interessierte er sich zudem dafür, auch jungen Menschen die zeitgenössische Musik nahezubringen. Immer wieder komponierte er für junge Leute und Amateure, aufgeführt wurde er auch von Chören in Eichstätt. Erst sehr spät allerdings ließ er sich von der vorherrschenden Musikströmung seiner Zeit überzeugen, von der Seriellen Musik in der Nachfolge der Zwölftonmusik von Arnold Schönberg. Aber Thim schrieb nur kurze Zeit nach dieser Technik: „Ich kann damit nicht sagen, was ich eigentlich sagen möchte“, erklärt er. Seitdem sind seine Werke „frei tonal“, wie er sagt.

Im Laufe seines Lebens wurde Günter Thim, der hauptsächlich Kammermusikwerke schrieb, mit zahllosen Preisen geehrt. So wurde ihm 1989 die Bürgermedaille der Stadt Eichstätt verliehen. Außerdem erhielt er Auszeichnungen der Gerhard-Maasz-Stifung, der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, den Konrad-Wölki-Preis und viele andere. Am meisten aber redet er über die letzte Ehrung, die ihm 1996 verliehen wurde – ausgerechnet als Salonkomponist. Fast 200 Komponisten bewarben sich für den Paul Woitschach-Preis, und ausgerechnet er erhielt den Preis, wo er doch fast nur Ernste Musik geschrieben hat. Günter Thim muss darüber schmunzeln.