Eichstätt
Räume weiterträumen

In der Eichstätter Galerie "Bildfläche" ist bis 10. Juni ein interdisziplinäres Werkstattprojekt zu sehen

25.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:46 Uhr

Die Ecken und Kanten eines Raumes hat Fotograf Hubert Klotzeck im Werkstattprojekt "Träume von Räumen" festgehalten. Neben Bettina Krugsperger (im Bild) zeigen noch drei weitere Künstler aus der Region derzeit Werke in der Eichstätter Galerie "Bildfläche". - Foto: Poese

Eichstätt (DK) Es wimmelt und raschelt in der Ecke. Kratzend, so scheint es, krabbeln Ameisen an den Wänden entlang auf den hintersten Winkel des Raumes zu. Die kleinen Insektenleiber werfen feine Schatten. Oder sind es Flügel? Bettina Krugsperger erzeugt in ihrer Installation zum Thema "Wimmel-Widerstand" eine wirkungsvolle Illusion. Einzeln hat sie elektrische Widerstände in die Wand im hinteren Raum von Hubert Klotzecks Galerie "Bildfläche" gesteckt. Sie hat sie angeordnet wie Ameisenstraßen, dazu kommen Geräusche aus einem Lautsprecher.

Die Installation der Designerin aus dem Landkreis Eichstätt ist ein Beitrag zum Werkstattprojekt "Träume von Räumen", das in der Eichstätter Galerie noch bis 10. Juni den Zeitraum zwischen zwei regulären Ausstellungen überbrückt. Das Wort "Galerie" möge er gar nicht so gern, sagt Fotograf Hubert Klotzeck. Er sehe seine "Bildfläche" eher als Räume, in denen Kunst ohne Berührungsängste gezeigt wird. Mit dem aktuellen Projekt ist Klotzeck diesem Ideal sehr nahe gekommen. Wer sich in den Räumen umsieht, wird originellen Ideen begegnen und einem Miteinander von ganz verschiedenen Kunstformen, die in ihrem Werkstattcharme sehr gut zusammenwirken.

Da sind Theresia Fladls filigrane Bergmassive - die Ingolstädter Produktdesignerin mit kanadischen Wurzeln hat bekannte Gipfel wie den Watzmann oder die Zugspitze aus Bambusstäbchen nachgebaut, so dass sie wie Mobiles schweben können, was sie der Austellung auch tun. Und da sind Axel Häuslers "Studien", wie der Ingolstädter Architekt selbst sagt, auf denen er mit Farben und Bindemitteln experimentiert, um Räume und Gesten sichtbar zu machen. Leinöl fördert zum Beispiel eine sonst unsichtbare gekörnte Struktur im Papier zutage, die wahrscheinlich aus dem Herstellungsprozess stammt.

Hubert Klotzeck selbst beschäftigt sich ganz konkret mit seinen eigenen Räumen. Er wollte sämtliche rechte Winkel in seinem vorderen Galerieraum fotografieren und sozusagen eine Inventur der Ordnungsprinzipien eines Raumes machen - bei 360 Winkeln hat er aufgegeben. "Wie bei einer Mandelbrot-Menge ergeben sich je nach Abstand immer neue rechte Winkel", erklärt Klotzeck. 124 davon hat er nun im mittleren Galerieraum aufgehängt: überraschende Ansichten auf Stuhlbeine, Klavierpedale, Ecken und Winkel.

Und dann sind da noch literarische Kleinode, die aus der Feder der Eichstätter Literaturwissenschaftlerin Maria Bartholomäus stammen. Sie hat das Thema der Ausstellung ganz wörtlich aufgefasst und die Galerieräume weitergeträumt. Sie beschreibt die Zeiten, in denen dort noch ein Juwelier, ein Antiquar und ein Kürschner ihre Geschäfte hatten. Ausgehend von diesen Fakten geht sie behutsam in Fiktion über. Schildert, wie ein Gemälde ein Eigenleben entwickelt oder der Kürschner versucht, dem drögen Alltag zu entrinnen - wunderbare kleine Geschichten, die den Leser für einige Zeit im hinteren Galerieraum fesseln.

Und schließlich ist da noch das Stück Literatur, das dieses Werkstattprojekt im Ganzen zusammenhält: Das Buch "Träume von Räumen" des französischen Autors Georges Perec mit experimentellen Betrachtungen von Räumen vom Zimmerchen bis zum Universum. Zusätzlich zu all den inspirierenden Ideen kann man in den Galerieräumen auch in Perecs Büchlein schmökern - und sich anstecken lassen von den Träumereien.