Eichstätt
Musikalischer Urknall

Der Eichstätter Domchor präsentiert Josef Haydns Oratorium "Die Schöpfung"

22.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:05 Uhr

Der Eichstätter Domchor begeisterte mit dem Orchester L'arpa festante und den Gesangssolisten Uwe Schenker-Primus, Johanne Strauß und Anna Nesyba (von links). - Foto: Greck

Eichstätt (DK) Gemeinhin haben Konzertprogramme meist die gleiche, simple Dramaturgie: Sie bauen Spannung auf, die sich am Ende in einem Höhepunkt entlädt. Im gut besuchten Eichstätter Dom konnte man mit Haydns Oratorium "Die Schöpfung" am vergangenen Sonntagabend die Umkehrung dieses Erfolgsprinzips hören: Haydn beginnt seine Geschichte um die Entstehung der Welt instrumental mit der Vorstellung des Chaos in einer fast zurückhaltenden Weise mit gedämpften Streichern.

Nach dieser kurzen Einleitung präsentierte der Domchor den wohl bekanntesten Satz aus der biblischen Schöpfungsgeschichte aus dem Buch Genesis: "Gott sprach: €šEs werde Licht. €˜" Beginnend im Piano mit der gleichen Zurückhaltung des Orchesters tastete sich der Chor vor. Generalpause. Weiter suchend: "und es ward . . ." Orchesterpizzicato. Fortissimo in strahlendem C-Dur: "Licht". Der musikalische Urknall gleich zu Beginn des Werkes - ein gelungener Überraschungseffekt und Voraussetzung, um die biblische Geschichte der Schöpfung in lebendigen Bildern schildern zu können - und das gelang den Mitwirkenden der Eichstätter Dommusik gut.

Den Orchesterpart übernahm dabei das Barockorchester L'arpa festante. Auf teilweise historischen Instrumenten begleiteten die rund 40 Musiker den Domchor und seine Solisten aufmerksam und sicher unter dem Dirigentenstab des Eichstätter Domkapellmeister Christian Heiß. Ein-drucksvoll trugen die hohen Streicher dazu bei, rollend und perlend das Wasser auf die Erde fluten zu lassen, die historische Klarinette und die Traversflöte erschufen die singende Lerche und die zwitschernde Nachtigall, während die tiefen Streicher Walfische im Meer dahingleiten ließen. Die Trompeten, Posaunen und Naturhörner, die einen ganzen Satz Stimmbögen für das Stück parat haben mussten, imitierten Tigergebrüll und Pferdegalopp.

Erzählt wird die Schöpfungsgeschichte bei Haydn von drei Erzengeln, die als Gesangssolisten das Oratorium tragen. Die Sopranistin Anna Nesyba lieh dem Engel Gabriel ihren unaufdringlichen und weichen Sopran, der mit den höchsten Koloraturen verschiedenste Vögel durch den Dom fliegen ließ. Bei den Schilderungen des Erzengels Uriel, gesungen von Tenor Johannes Strauß mit strahlender Stimme, gingen Sonne und Mond auf, während Uwe Schenker-Primus mit seinem sonoren und mächtigen Bass Meerestiefen auftat. Solisten und Orchester zauberten in den ersten beiden Teilen des Oratoriums ein plastisches Tongemälde, das der Domchor stets über ein naives Naturbild hinauswachsen ließ: Alleine oder zusammen mit den Solisten pries er Gottes Werk und Schöpfung mit forschem Gesang, der in Partien mit verschachtelter Stimmführung stets rhythmisch sauber war, sich in einigen Passagen aber nicht ganz gegen das Orchester durchsetzen konnte.

Christian Heiß koordinierte Solisten, Orchester und Chor von Dirigentenpult gekonnt. Auch im dritten Teil der "Schöpfung", der die ersten Stunden von Adam und Eva im Paradies erzählt, sorgte er dafür, dass die Cembalobegleitung die Rezitative der Solisten Anna Nesyba und Uwe Schenker-Primus sicher umspielte und der Chor akkurat zum Finale einsetzte. Alle Mitwirkenden trugen dazu bei, dass das Ende des Oratoriums wie der Urknall zu Beginn noch mal zu einem Höhepunkt anschwoll. Den Ruhm des Herrn und seine Schöpfung besiegelten sie nach knapp zwei Stunden Spielzeit mit einem kunstvoll gestalteten Amen, das - vor allem im Orchester, das durchgängig präsent sein musste - genauso konzentriert und präsent war wie der Beginn. Eine gelungene Leistung!