Eichstätt
Faszinierendes Martyrium

Büchner-Preisträger Martin Mosebach liest im Eichstätter Spiegelsaal aus seinem neuen Buch

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Martin Mosebach sprach über seine Begegnung mit koptischen Christen in Ägypten. - Foto: Luff

Eichstätt (DK) Betroffenheit stellte sich ein, als der Büchner-Preisträger Martin Mosebach im Spiegelsaal der Eichstätter Residenz eine Lesung aus seinem jüngsten Buch "Die 21. Eine Reise in das Land der koptischen Martyrer" hielt. Der Titel bezieht sich auf die 21 ägyptisch-koptischen Christen, die am 15. Februar 2015 an einem libyschen Strand von islamischen Terroristen vor laufender Videokamera brutal enthauptet wurden. Sie ertrugen ihr Martyrium in stoischer Ruhe, beteten zu Jesus Christus und nahmen ihren Tod gelassen an. Eine derartige Glaubensstärke ist der westlichen Gesellschaft fremd geworden, Religion ist hier Privatsache und die Idee des Märtyrertods gilt als suspekt.

Eingeladen hatte zu dieser Veranstaltung das Collegium Orientale, die Katholische Erwachsenenbildung und die Professur für Bioethik, deren Mitarbeiter Martin Hähnel den Abend moderierte.

Was viele nicht wissen: Gerade die Aufgabe des eigenen Lebens für den Glauben zählt zu den Konstanten des Urchristentums, deren Märtyrer Legion sind. Die Spiritualität und Liturgie der koptisch-orthodoxen Christen in Ägypten, die seit Jahrhunderten isoliert unter einer dominierenden islamischen Mehrheit leben, spiegelt exakt jene Geisteshaltung des frühen Christentums wider.

Nur konsequent ist es daher, wenn die Familien der ermordeten jungen Männer, die Mosebach im Frühjahr 2017 im Dorf El-Or besuchte, keinerlei Trauer über den Verlust ihrer Brüder oder Söhne zeigten. Diese Menschen leben als Bauern in einfachsten Verhältnissen, sind jedoch tief im koptischen Glauben verwurzelt. Immer wieder wurde dem deutschen Autor, umgeben von Ziegen, Kühen und Kindern auf einem iPad das grausame Propagandavideo des "IS" gezeigt. Nie aber sprach ein Angehöriger von Vergeltung und Rache, im Gegenteil: Man war stolz, einen Martyrer in der Familie zu haben, einen Heiligen im Himmel. Daher erscheinen die 21 Mordopfer auf den neu angefertigten Ikonen gekrönt wie Könige.

Die Lesung durch den Autor selbst war eine brillante Idee, denn Mosebach las unaufgeregt und präzise, mit ausdrucksstarker Diktion und stets im Kontakt zu den Zuhörern. Sein Buch ist eigentlich ein Reisebuch über die Begegnung mit einer fremden Gesellschaft und einer Kirche, die den Glauben und die Liturgie der frühen Christenheit bewahrt hat und für die das heutige Leben Spiegelung und Erfüllung biblischer Vorgänge ist.

Geschickt war auch die Auswahl der drei Textstellen: Im ersten Kapitel schilderte der Autor seine Motive, sich mit dem Märtyrertod der jungen Ägypter auseinanderzusetzen. Ein aus dem "IS"-Video isoliertes Standbild 1971 geborenen Märtyrers Kyriollos bewegte ihn tief, weil dessen Gesichtsausdruck noch friedlich und gelassen ist, obwohl der Tod bereits eingetreten ist. Mosebach musste einfach nach Ägypten reisen, um mehr über diese Menschen und ihren Glauben zu erfahren. Er lernte dabei die ungeheure Armut dieser Familien kennen.

Der Versuch, das Martyrium selbst zu verstehen, stand im Mittelpunkt der zweiten Textstelle: ein Gespräch in einem Teehaus in Kairo mit einem atheistischen arabischen Mann, ein weit gereister und erfolgreicher Geschäftsmann, der den Tod der Märtyrer aber für sinnlos und gefährlich hielt, weil er die ägyptische Gesellschaft destabilisiere. Der Autor ergriff in diesem Dialog Position für die 21 Hingerichteten, die mit ihrem Leben für Jesus einstanden, den sie selbst im Moment des eigenen Todes nicht verraten wollten.

Die Rolle der koptischen Kirche in der aktuellen ägyptischen Gesellschaft beleuchtete Mosebach schließlich in der letzten Textstelle. Hier schilderte er seine Audienz beim Metropoliten, einem der neun Bischöfe der Kopten, den er in seinem streng bewachten Palast besuchte. Beeindruckend selbstbewusst und stolz verwies der Metropolit auf die Stärke und die sozialen Leistungen der koptischen Kirche: Kein einziger koptischer Christ, so war sich der Hirte sicher, würde in Ägypten seinen Glauben verleugnen. Ohne die Schulen und Krankenhäuser der koptischen Kirche, die auch für Moslems offenstehen, sei das Erziehungs- und Gesundheitswesen in Ägypten gar nicht denkbar.

Mosebach konnte sich selbst in einem angeschlossenen Krankenhaus von der Bedeutung dieser humanitären Arbeit der koptischen Kirche überzeugen. Der Metropolit aber fand klare Worte für die schwierige Lage seiner Kirche im Land: "Wir werden seit 1400 Jahren gezwungen, mit den islamischen Invasoren zusammenzuleben, doch wir sind nicht so wenige, wie man offiziell verlautbaren lässt." In der Tat rechnet man unter den ca. 90 Millionen Einwohnern Ägyptens mit bis zu 12 Millionen koptischen Christen. Ihre Glaubensstärke und ihre Liturgie helfen ihnen, unter diesen Bedingungen zu überleben.