Eichstätt
Die große Kunst der Fuge

Der ehemalige Eichstätter Diözesanbaumeister Karljosef Schattner ist tot – seine Arbeit prägte die Stadt

11.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:37 Uhr

Karljosef Schattner. - Foto: Kinold

Eichstätt (DK) Nein, unumstritten war Karljosef Schattner bei den Eichstättern wohl nicht. Zumindest nicht in den ersten Jahren seiner Laufbahn als Diözesanbaumeister. Denn der „Vergangenheit eine Zukunft!“ gegeben hatte er da schon, lang, bevor man das zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 international forderte.

Hatte barocke Baudenkmäler in der Stadt mit klarer neuer Architektur ergänzt, moderne Materialen in historische Hallen eingebracht, Geschichtsträchtiges konsequent baulich weitergetrieben ins Heute. „Das Alte nicht übertrumpfen, sondern ihm etwas Eigenständiges entgegensetzen!“ war das konservative Geister erschreckende Credo Schattners, das er in seiner 34-jährigen Tätigkeit als Chefarchitekt der Diözese strikt befolgte. Die Folge: ein neues Gesicht für Eichstätt, das prompt zum Mekka für Architekturfans wurde. Und internationaler Ruhm für Schattner selbst – inklusive des „Ritterschlags“ der Einladung zum Alvar-Aalto-Symposium in Finnland, das ihn in eine Reihe setzte mit Stars wie dem Amerikaner Steven Holl, dem Japaner Toyo Ito oder dem Schweizer Peter Zumthor. Verlassen hat Schattner trotz allen Ruhms seine Wahlheimat Eichstätt nie. Hier starb der langjährige Diözesanbaumeister denn auch am Dienstag im Alter von 87 Jahren.

In die Bischofsstadt gekommen war Schattner, der 1924 bei Magdeburg geboren wurde, 1949 als frisch verheirateter junger Mann; seine Frau hatte er 1945 bei seinem ersten Besuch in Eichstätt kennengelernt. Kriegseinzug, eine schwere Verwundung und die Kriegsgefangenschaft im amerikanischen Militärlazarett in Ingolstadt lagen hinter ihm, als er sich an der Altmühl niederließ und ein Architekturstudium in München begann – bei Hans Döllgast, der zu dieser Zeit mit dem Wiederaufbau der zerstörten Alten Pinakothek betraut war. Döllgast mauerte die Bombenkrater in der Fassade sichtbar auf, bestand also auf Vergangenheit und schuf damit ein bis heute gültiges Mahnmal gegen den Krieg.

Vielleicht unter diesem Einfluss war Geschichte und Gegenwart zu verbinden fortan auch Glaubenssatz für Schattner, der einmal scheinbar reziprok formulierte: „Die Gegenwart leugnen, heißt die Geschichte leugnen“. Was er damit meinte, zeigte er ab 1957, als er 33-jährig zum Diözesanbaumeister berufen wurde, eindrucksvoll.

Insgesamt 20 Bauten hat Schattner in Eichstätt geschaffen, angefangen von den Universitätsgebäuden an der Sommerresidenz, die er von 1960 bis 1965 mit dem Ingolstädter Architekten Josef Elfinger realisierte, bis zu dem 1992 vollendeten Diözesanarchiv, einem Erweiterungsbau, wie sie Schattners Spezialität geworden waren. In ihnen bewies er seine außergewöhnliche Fähigkeit, „der Vergangenheit eine Zukunft zu geben“, nämlich alte Bausubstanz zu erhalten, zu sanieren und durch moderne Erweiterungen zu einem eigenen Ganzen zu machen. Besonders interessierten Schattner dabei die Übergänge zwischen Alt und Neu, die, so seine Maxime, klar und nicht verschliffen zu sein hatten – wie das etwa der „Ulmer Hof“ mit seinem innen liegenden lichtdurchfluteten Erweiterungsbau der Bibliothek oder das zum Journalistikseminar umgebaute Waisenhaus demonstrieren.

Während manche Eichstätter an solcher Modernität zu knabbern hatten, kam aus der Fachwelt höchstes Lob für die ihm oft bescheinigte (und schnell zum Schlagwort gewordene) „Kunst der Fuge“. Schattner erhielt unzählige Preise, darunter den Großen Architekturpreis des Bundes Deutscher Architekten (BDA), den Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken und die Leo-von-Klenze-Medaille des Freistaates Bayern, er war Teilnehmer der Architekturbiennale und wurde Ehrensenator der Universität. 2008 schließlich ernannte seine Wahlheimat ihn zum Ehrenbürger: Er sei ein „Glücksfall für Eichstätt“, hieß es in der Laudatio.

Das Requiem für Karljosef Schattner findet morgen um 13.45 Uhr im Eichstätter Dom, die Beerdigung anschließend auf dem Friedhof Eichstätt statt.