Eichstätt
"Der Roman steckt voller Geheimnisse"

Akos Doma aus Eichstätt hat es mit "Der Weg der Wünsche" auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft

25.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Akos Doma kam mit 14 Jahren von Ungarn nach Deutschland. Sein neuer Roman "Der Weg der Wünsche" speist sich aus dieser Biografie. Beim Erlanger Poetenfest wird er daraus lesen. - Foto: Buckl

Eichstätt (DK) Es beginnt mit einem Kindergeburtstag im Kreis der Familie, doch für die Eltern Teréz und Károly ist das Leben im sozialistischen Ungarn unerträglich geworden. Niemand darf von ihren Fluchtplänen erfahren - schon gar nicht die Kinder Misi und Borbála, die einem Urlaub am Plattensee entgegenfiebern. Akos Doma, der selbst als Jugendlicher mit seiner Familie Ungarn verließ, erzählt in seinem neuen Roman "Der Weg der Wünsche" die Geschichte einer dramatischen Flucht.

 Er zeigt darin, was Heimatlosigkeit und Ungewissheit im Menschen anrichten können - und wie sie ihn verändern. Mit "Der Weg der Wünsche" hat es Doma auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft.

Herr Doma, Ihre ersten beiden Romane "Der Müßiggänger" (2001) und "Die allgemeine Tauglichkeit" (2011) kamen im kleinen Rotbuch-Verlag heraus, nun der Wechsel zu Rowohlt, einem großen Verlagshaus: Kann man da vom "Durchbruch" des Romanciers Akos Doma sprechen?

Akos Doma: Das weiß ich nicht, in solchen Kategorien denke ich eher nicht. Ich bin Rotbuch dankbar für die beiden, wie ich finde, sehr, sehr schönen Bücher, und weil sie mir als erstes eine Chance gaben. Jetzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Rowohlt, das ist einer der prägenden Verlage Deutschlands, ich hätte mir keinen besseren wünschen können.

 

Worin liegen für einen Autor die Unterschiede in der Zusammenarbeit zwischen einem kleinen und einem großen Verlagshaus? Auch die "Rotbuch"-Romane fanden in den Feuilletons ja überregional große Beachtung bis hin zur Schweiz.

Doma: Ja, es gab tolle Rezensionen, aber auch reichlich Luft nach oben. Manche große Zeitungen scheinen bis heute nicht bemerkt zu haben, dass ich existiere. Mir liegen ohnehin die Leser am Herzen: Wenn es mir gelänge, sie mit dem Roman zu bewegen, emotional und gedanklich, wäre ich schon glücklich. Was der Schauspieler Charles Bronson über das Filmemachens sagte, gilt genauso fürs Schreiben: "Wir machen keine Filme für Kritiker, sie bezahlen ohnehin nichts für den Eintritt."

 

Als Sie im März 2013 in der Eichstätter Galerie Bildfläche einen Auszug aus dem Manuskript vorab lasen, trug es noch den Titel "Plattensee einfach", nun heißt der Roman "Der Weg der Wünsche".

Doma: Wie am ganzen Roman hat sich im Lauf der Entstehungszeit auch am Titel einiges geändert, das ist normal, zumal dem Titel bei der Vermarktung eine entscheidende Rolle zukommt. Das gilt auch für das Cover, von dem ich geradezu begeistert bin.

 

In dem Roman geht es um Teréz und Károly, die zu Beginn der 1970er-Jahre mit ihren Kindern einen Urlaub am Plattensee zur Flucht nutzen wollen. Auch Familie Doma floh 1972 aus Ungarn. Lässt sich aus dem Buch ein autobiografischer Hintergrund herauslesen?

Doma: Da die Parallelen offenkundig sind, kann ich schwer leugnen, dass vieles biografisch ist. Er ist gewissermaßen biografisch von A bis ... Y, das Z nicht. Aber er ist weit mehr als das. Trotz des ungarischen Hintergrunds ist die Handlung universell, eine geradezu prototypische, mitteleuropäische Erfahrung des schändlichen 20. Jahrhunderts, mit Rückblenden ins letzte Kriegsjahr 45, in die Zeit des schlimmsten kommunistischen Terrors 51, in den Ungarnaufstand 56 und in die 70er-Jahre. Aber auch das Gegenteil ist da: Glück, Hoffnung, Aufbruch, erste Liebe und die große, schützende Macht, die in einer Familie stecken kann. Vor jemandem, der den Roman gelesen hat, habe ich jedenfalls keine Geheimnisse mehr. Und der Roman steckt voller Geheimnisse.

 

In der bereits vorgestellten Romanpartie wird erzählt aus der Ich-Perspektive der 14 Jahre alten Tochter Borbála, deren Bruder Misi in dieser Zeit acht Jahre alt ist. Warum die Wahl der eingeschränkten Kinder-Perspektive?

Doma: Weil ich so unmittelbarer erzählen kann, und weil der kindliche Blick etwas Besonderes ist, er ist naiv, gerade deswegen aber auch ehrlich und entlarvend. Streng genommen sind es jedoch vier Perspektiven, ich schlüpfe abwechselnd in die vier Familienmitglieder, wobei vor allem die Mutter und die Tochter im Mittelpunkt stehen, es ist ihre Geschichte.

 

Das Thema "Flucht" ist der große Stoff unserer Zeit, Schlagworte wie Migration und Asyl bestimmen seit Monaten die Tagespolitik. Glauben Sie, dass das die Aufnahme Ihres Buches beim Publikum beeinflussen wird?

Doma: Als ich 2001 den Roman begann, gab es das Thema so nicht, ich schreibe niemals auf Aktualitäten hin, im Gegenteil, ich fliehe sie, da das, was uns die Medien als "wichtig" auftischen, meist nur von dem ablenkt, was wirklich wichtig ist. Während wir wie gebannt auf die Flüchtlinge blicken, geht still und heimlich etwas vor sich, was Europa wirklich verhängnisvoll verändern wird: Das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA, der letzte Sargnagel im schönen Traum von einem unabhängigen, selbstbestimmten Europa.

 

Als Übersetzer übertragen Sie Werke etwa von Sándor Márai, László F. Földényi und Péter Nádas aus dem Ungarischen ins Deutsche. Beeinflusst das den eigenen Stil?

Doma: Bewusst sicher nicht, beide Tätigkeiten sind fundamental anders. Was ihnen gemeinsam ist, ist die unablässige, minutiöse Arbeit an der Sprache, insofern sind Schreiben und Übersetzen Tätigkeiten, die sich gegenseitig ungeheuer befruchten.

 

Auf das Erscheinen des zweiten Romans musste man zehn Jahre lang warten, bis zum dritten nun nur noch fünf. Gibt es schon Pläne für ein nächstes Buch, das dann womöglich auch in weniger als fünf Jahren erscheint?

Doma: In den zehn Jahren sind auch zwei Romane entstanden, nur ist der eine nie erschienen. Etwas mehr Tempo wünschte ich mir auch, würde ich allerdings doppelt so schnell schreiben, wären meine Romane nicht halb so gut. Qualität braucht Zeit, deswegen gibt es in unserer pathologisch beschleunigten Zeit so wenig davon. Aber während ich einen Roman schreibe, läuft der nächste Roman immer schon im Hinterkopf mit, auch jetzt habe ich schon zwei reife Romanstoffe, einen bereits seit zehn Jahren oder mehr, einen seit einem Jahr, und ein Theaterstück ist fast fertig. Es ist wie eine Dauerschwangerschaft, das ist sehr schön, man ist nie allein.

 

Das Gespräch führte

Walter Buckl.