Eichstätt
Der Kreuzzügler

In Eichstätt zeigt Wolfgang Sellinger seine Art der Kirchenkritik

08.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:27 Uhr

Eine etwas harmlosere Ecke in Sellingers Ausstellung. Es gibt auch Riesenpenisse, Nonnenmasturbatoren oder den Eichstätter Bürgermeister ans Kreuz geschlagen zu sehen. - Foto: Chloupek

Eichstätt (DK) Huch, er hat es schon wieder getan! Hat Riesenpenisse, Kloschüsseln und Gurkengläser aufgestellt und dazu rundum die Wände mit Plakaten bedeckt und alles, ob Bildcollage oder Objekt, mit Sprüchen gespickt. Mit Zitaten, Aphorismen, persönlichen Beleidigungen gern.

Hat also erneut seine Ausstellung "Kirche mit Kirchenkritik - gestern, heute, morgen" in Eichstätts ehemaliger Johanniskirche, jenem, wie man weiß, längst säkularisierten Veranstaltungsraum, installiert. Das Recht dazu hat Wolfgang Sellinger, 66 Jahre alt und Privatier, höchstpersönlich vom Gericht zugesprochen bekommen: Mit allen Mitteln hatte die Kommune eine Neuauflage der hohe Wellen schlagenden Schau von 2013 verhindern wollen - und verloren.

Seit vielen Jahren treibt Wolfgang Sellinger, der sich Künstler und Galerist nennt, die Bischofsstadt um: mit einer "Galerie der Kirchenkritik" in der Pfahlstraße, in der er seine Schmähungen gegen Gott, Kirche, Religion und Gläubige plakativ herausschreit, mit im Stadtbild geparkten Fahrrädern, die seine (Un-)Glaubenssätze transportieren, mit öffentlichen diffamierenden Briefen an Stadtoberhäupter, die er schon mal als "Zehnfinger-Faultiere" im Nürnberger Zoo untergebracht haben will - und man tut ihm in Eichstätt den Gefallen und regt sich mächtig auf. Darauf, der Eindruck entsteht beim Besuch der neuen Schau, legt es Sellinger vielleicht in erster Linie an.

Dabei hat der Mann, kolportiererweise erzogen in einem katholischen Kloster, womöglich wirklich ein Anliegen. Es gibt, von der Vergangenheit einmal ganz abgesehen, auch heute viel Schlimmes zu kritisieren an jener Kirche, welche ausgerechnet in Eichstätt einen Bischofssitz hat; es gibt Missbrauch, Frauenfeindlichkeit, eine verquere Einstellung zur Sexualität, Verschwendung, mafiöse Strukturen. All das kommt in Sellingers Plakaten und Installationen vor, und wer Glück hat, entdeckt im wilden Sammelsurium der Fremd- und Eigensprüche, der mal mehr, mal weniger komischen Cartoons und Comics auf den Bildformaten - von Bertrand Russel über Stephan Hawkings bis Sigi Zimmerschied reichen die Wortgeber - durchaus Bedenkenwertes und Bedenkliches, bei dem sich zustimmen und empören lässt.

Große Chancen hat solch ernsthafte Rezeption freilich nicht inmitten der geradezu barock überbordenden Fülle der Ausstellungsstücke, zu denen übrigens auch, komisch genug, das Schild "Religionsfreie Zone" gehört. Und erst recht nicht angesichts des so pauschal geifernden Sellinger. Oberbürgermeister, Bischof, Verwaltungsdirektor? Alles eins! Sellinger zieht vom Leder und dabei fast immer unter die Gürtellinie. Fragt nach des Bischofs Männlichkeit, urteilt großformatig in Blau, ihm sei ein OB-Tampon lieber als ein OB Steppberger, lässt an der Zölibatstankstelle "Päderastennektar" und "Pädophilenejakulat" fließen und ergeht sich überhaupt so ausgiebig in sexuell fixierten Bildern, Worten und Fantasien, dass man seine eigene Kritik, die Kirche habe eine verqueres Verhältnis zur Sexualität, beinahe als Übertragung sehen mag. So ist das überhaupt mit dieser Ausstellung (die übrigens vom Neuburger Bund des Geistesfreiheit mitgetragen wird): Ein wenig ist sie selbst das, wogegen sie so wütend predigt: Verbohrte Religion. Und ganz sicher keine Kunst.

 

"Kirche mit Kirchenkritik - gestern, heute, morgen" in der ehem. Johanniskirche läuft bis 21. August.