Eggenfelden
Wie haben Sie das gemeint, Frau Fitz?

Der Kabarettistin wird vorgeworfen, in einem Lied Verschwörungstheorien zu verbreiten Im Interview verteidigt sie sich

02.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:52 Uhr

Verschwörungstheorien von Lisa Fitz? Die Kabarettistin ist empört über die Vorwürfe. - Foto: Reichenbach

Eggenfelden (DK) Es ist die Aufgabe von Satirikern, mit künstlerischen Mitteln an Dingen Kritik zu üben, die nicht gut laufen. Die Eggenfeldener Kabarettistin Lisa Fitz findet, es läuft nicht gut in der Politik. In ihrem neuen Lied "Ich sehe was" sieht sie die Macht nicht mehr beim souveränen Staat.

Fitz rappt: "Ich sehe das, was du nicht sehen willst, weil du blind bist - und lieber shoppst und chillst . . . Die Welt wird fieser und an wem mag's liegen? . . . Der Schattenstaat, die Schurkenbank, der Gierkonzern, wer nennt die Namen und die Sünden dieser feinen Herrn? Rothschilds, Rockefeller, Soros & Consorten, die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten." Darauf wurde Kritik laut, Fitz verbreite antisemitische Verschwörungstheorien, was die Künstlerin strikt zurückweist. Wir haben Lisa Fitz gefragt, wie sie das Lied gemeint hat.

Frau Fitz, Sie hatten anstrengende Tage, wie geht es Ihnen?

Lisa Fitz: Eigentlich ganz gut. Aus der Sache könnte ein Sturm werden, aber kein Shitstorm, weil die Leute - ob links, Mitte oder rechts - zu 90 Prozent den Song gut finden und kein normaler Mensch dahinter eine antisemitische Verschwörungstheorie vermutet. Übrigens hat den Begriff "Verschwörungstheorie" die CIA erfunden in der Zeit des Kennedy-Mordes, weil ihr die Zweifler an der offiziellen Einzeltäter-Version zu zahlreich wurden. Er wird benutzt, um kritische Leute mundtot zu machen - wie bei mir in den letzten Tagen.

 

Sie haben auf Facebook geschrieben: "Ich war nie auch nur einen Hauch antisemitisch, zefix!" Können Sie ein bisschen nachvollziehen, dass Leute das aber so empfinden, nachdem Sie in Ihrem Lied unter anderem die jüdischen Familien Rothschild, Soros und Goldman als dunkle Machthaber nennen?

Fitz: Lassen Sie mich zuerst sagen: Ich bin ein völlig liberaler Mensch und ein Freigeist in Bezug auf Religionen. Ich und Antisemitismus, das ist so weit weg wie ein guter Literat von der "Bild"-Zeitung. Ich habe in dem Lied auch Rockefeller und J. P. Morgan genannt, das sind keine Juden. Und ich will das Recht haben, auch jüdische Familien der Hochfinanz zu kritisieren, wenn sie sich falsch verhalten.

 

Der entscheidende Unterschied ist, ob man Vorurteile verbreitet oder konkrete Missstände benennt. Über Familie Rothschild z. B. gibt es Schmähungen seit Balzac und Fallersleben, die Nazis haben einen Propagandafilm gedreht. Was hat Familie Rothschild gemacht, das Sie persönlich so verärgert? Worauf richtet sich Ihre Kritik konkret?

Fitz: Nicht nur die kleine Lisa Fitz, auch Oskar Lafontaine sagt: "Wir werden von einem Hochfinanzimperium regiert!" Und das beschränkt sich doch nicht auf jüdische Geldmacht. Dass über den Politikern die Konzerne sitzen, und darüber die Finanzmacht, das ist heute ja inzwischen schon Allgemeinwissen. Seitdem es Popmusik gibt, werden Schwerreiche wie die Rothschilds und Rockefellers von Musikern kritisiert, weil sie mit ihrem Geld Politik machen und die Welt gestalten. Die Rockefellers gehen im Weißen Haus ein und aus, die Rothschilds haben mit ihren Goldreserven Bürgerkriege mitfinanziert, Kriegsanleihen abgesichert, Regierungsreserven wurden mit Gold von Rothschild gestützt u. v. m.. Goldman Sachs hat die Griechenland-Bilanzen gefälscht und dem Land so in die EU verholfen - das war sogar in einer Doku auf Arte.

 

Dass manche Banken und Konzerne unlautere Geschäfte betreiben, streitet niemand ab. Sie singen aber, diese lenken als die "wahren Puppenspieler" die Welt, Politiker sind demnach deren Marionetten - ist das ein bisschen sehr allgemein?

Fitz: Ein Popsong ist immer noch ein Popsong. Ich will damit nicht sagen, dass die Puppenspieler, womöglich noch Juden, zu sechst an einem Tisch sitzen und ihre Vorgaben rausgeben. Die Puppenspieler, das sind auch die Lobbyisten, Konzerne und Großkapitalisten. Wie der Seehofer sagt: "Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt. Und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden." Für mich ist zentral: Wenn ich Erdogan kritisiere, bin ich nicht türkenfeindlich. Wenn ich als Pazifistin die Kriegspolitik der USA kritisiere, bin ich nicht amerikafeindlich. Und wenn ich reiche Bankhäuser kritisiere, bin ich nicht einen Hauch antisemitisch.

 

Das Problem ist nur, dass die "jüdische Hochfinanz" eben ein Klassiker der antisemitischen Rhetorik ist - da sollte man doch vorsichtig sein, oder?

Fitz: Natürlich. Vielleicht sollte man sagen: Auch die Rothschilds, auch wenn sie Juden sind, müssen sich ihrer Vergangenheit und der Kritik stellen, ebenso wie Trump, Putin und der Scheich sowieso.

 

Das Video zu Ihrem Lied wurde veröffentlicht auf dem Youtube-Kanal von Heiko Schrang. Sie sind zweimal in dessen Talkformat aufgetreten. Schrang sagt, er sei "erwacht", schreibt Bücher wie "Die Jahrhundertlüge, die nur Insider kennen" über eine geheime Bankier-Weltregierung und vertritt die These, die Bundesregierung plane, jedem Menschen einen Chip zu implantieren zum Zweck der totalen Kontrolle - Sie halten das für seriös und vertrauen ihm?

Fitz: Heiko Schrang hat 2017 meine Friedensrede von der Münchner Demo gegen die Sicherheitskonferenz gepostet, das hatte innerhalb kurzer Zeit Hunderttausend Klicks - er ist ein toller Verteiler, und ja, er ist reißerisch, ich habe auch seine "Jahrhundertlüge" gelesen. Ich habe auch mit ihm über das "Erwachen" diskutiert und gesagt, das klingt mir zu sehr nach Zeugen Jehovas.

 

Auf Facebook haben Sie geschrieben, Ihr Song sei bei Youtube-Trends auf Platz 19 gestanden "und wurde dann wie durch Spuk aus den Trends gelöscht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt." Sie glauben, Google hat Lisa Fitz künstlich runtergewertet, weil Ihr Lied zu brisant war?

Fitz: Leser haben Screenshots gemacht: Wir hatten zum Beispiel zu einem Zeitpunkt 135 000 Klicks, und nach der Mittagspause waren es 134 000. So was kam mehrere Male vor. Also muss ich davon ausgehen, dass da was gemacht wurde. Jetzt kann man wieder sagen, das ist eine Verschwörungstheorie - aber ich will einfach wissen: Warum?

 

Das Interview führte

Raimund Meisenberger.

 

Lisa Fitz' Lied "Ich sehe was" ist bisher eine Demoversion. Die Künstlerin hat Heiko Schrang erlaubt, diese auf seinem Youtube-Kanal zu veröffentlichen, was dieser tat unter dem klickträchtigen Titel "Neu: Lisa Fitz brisanter Song zensurgefährdet". Fitz' neues Album mit dem Lied soll im Sommer erscheinen.