Dresden
Die Macht der Bilder

Ein ungewöhnlicher "Tatort" aus Dresden wirft existenzielle Fragen auf

11.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:58 Uhr

Woran glauben junge Menschen heute? Das fragt der "Tatort: Level X" mit Wilson Gonzalez Ochsenknecht. - Foto: Muehle/MDR

Dresden (DK) "Kann denn nicht jemand dieses verdammte Internet wieder abschalten? Wir haben doch vorher auch gelebt!", schreit Kommissariatsleiter Schnabel (herrlich: Martin Brambach) verzweifelt, als das Video eines Missbrauchs von einem Tatverdächtigen ins Netz gestellt wird.

In die Social-Media-Welt mit all ihren Reizen und Möglichkeiten, aber auch Gefahren und Exzessen entführt der neue "Tatort: Level X". Es geht um die Macht der Bilder und seiner Thrill-Momente.

Simson ist ein "Prankster". Der 17-jährige Internet-Star spielt Menschen Streiche, filmt diese und stellt sie in Echtzeit online. Als er sich mit einer Rockergruppe anlegt, wird Simson gejagt und auf der Flucht von einem Unbekannten erschossen. Obwohl man die Tat vor Ort und live im Internet mitverfolgen konnte, kann nie-mand den Schützen beschreiben. Die Rocker scheiden schnell als Tatverdächtige aus. Die Dresdner Kommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels), Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und ihr Chef Schnabel stoßen auf skrupellose Geschäftsstrukturen hinter dem gefeierten Internethelden.

Neben dem geldgierigen Manager Cord (Daniel Wagner) und Simsons großem Konkurrenten Scoopy (Wilson Gonzalez Ochsenknecht) bekommen es die Ermittler mit einem Mediziner zu tun, dessen Schwarzhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten von Simson aufgedeckt wurde. Und sie treffen auf die junge Emilia, Tochter einer Pfarrerin, die persönlichen Kontakt zu ihrem Idol Simson hatte. Schließlich taucht ein Video auf, das die Ermittlungen in völlig neue Bahnen lenkt.

Längst nicht so witzig wie die ersten beiden Fälle ist der neue "Tatort" aus Dresden. Das Thema ist sehr reizvoll und von großer Brisanz. Richard Kropf, auch Co-Autor der aktuellen Serien "4 Blocks" und "You Are Wanted", sagt zu seiner Grundidee: "Wir leben in einer Zeit, wo - durch die Möglichkeiten des Internets - alles immerzu jetzt und live sein muss. Gleichzeitig erleben wir eine starke Individualisierung. Jeder kann seinen eigenen ,TV-Sender €˜ im Netz bauen und das senden, worauf immer er Lust hat. Das Problem ist: Wenn Zigtausende genau das tun, dann muss man sich gut überlegen, wie man sich spektakulär genug präsentiert, damit das überhaupt jemand anklickt. Das schafft einen enormen Druck - und das fand ich spannend."

Regisseur Gregor Schnitzler findet die passende Bildsprache zum Thema und spielt dramaturgisch geschickt mit dem Online-Faktor. Eingestreute Videos und Live-Streams, Parallelmontagen, stimmige Schauplätze - all das ist sehenswert. Nur stellenweise ist der Krimi etwas plakativ geraten. Aber das jugendliche Mediennutzungsverhalten dem "Tatort"-Publikum zu erklären, nun, das ist auch eine schwierige Aufgabe. Da wird der Manager schnell mal zum Guru stilisiert, der für seine "Gemeinde" ein öffentliches Trauern um Simson abhält, um das dann der Welt der traditionellen Religion - hier mit der ratlosen Mutter, einer Pfarrerin, die mit ihrer Sprache ihre Tochter nicht mehr erreicht - gegenüberzustellen. Schließlich läuft der Film ja im Rahmen der ARD-Themenwoche 2017 "Woran glaubst du".

 

Der "Tatort: Level X" läuft diesen Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.