Dinkelsbühl
Metal, Matsch und Mittelalter

Das 20. Summer Breeze in Dinkelsbühl

20.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

Foto: DK

Dinkelsbühl (DK) 41.500 Besucher, 120 Bands und ein heftiges Unwetter - das 20. Summer Breeze in Dinkelsbühl war einmal mehr ein buntes, intensives und sehr lautes Treffen der Heavy-Metal-Szene. Die Glanzlichter setzten alte Haudegen.

Freitagnachmittag in Dinkelsbühl. Es ist eine bedrohliche Szenerie: Vor wenigen Augenblicken noch dröhnten laute Gitarren und rüdes Gebrüll über das Gelände. Jetzt ist die Musik verstummt, nur noch die bunten Lichter flackern von der riesigen Bühne - und beleuchten das hektische Treiben auf der Ackerfläche. Tausende Menschen rennen und stapfen umher, teils knöcheltief im Matsch. Hunderte haben sich flatternde Regenponchos übergezogen, andere stolpern durchnässt durch den Morast. Es stürmt, der Regen peitscht in Wogen in die Menge. Und jedem Besucher des Summer Breeze ist klar: Auch der Gott des Heavy Metal ist machtlos gegen die schiere Urgewalt der Natur.

Minuten vorher, während des Auftritts der US-Amerikaner Hatebreed, waren dunkle Wolken über dem Gelände aufgezogen. Und quasi mit dem wuchtigen Schlussakkord des Quintetts brach ein amtliches Unwetter über das beschauliche Dinkelsbühl (Kreis Ansbach) herein. Ein Teil der Fläche vor der Bühne wurde daraufhin evakuiert, das Programm für etwa 20 Minuten unterbrochen. Und anstatt mit geballten Fäusten zu den Stücken der finnischen Melodic-Metaller Children Of Bodom zu feiern, begann unter den Besuchern ein wilder Kampf um die wenigen trockenen Plätze. Vor Pizza- und Bierbuden drängten sich Hunderte Menschen, andere versuchten zu ihren Zelten zu flüchten - um dort Unterschlupf zu suchen oder aber sicherzustellen, dass ihre temporäre Behausung nicht vom heftigen Wind hinweggerissen wird. Am Ende zog der Sturm schließlich so schnell wieder ab, wie er gekommen war. Und er hinterließ einige erkältete Besucher, das eine oder andere ramponierte Zeltlager - und tonnenweise Matsch. Die Laune ließen sich die Fans davon allerdings nicht verderben. Viele blieben trotzig - in Gummistiefeln und Regenmäntel gehüllt - auf dem Gelände.

Bereits zuvor hatten 41 500 Menschen drei Tage bei teils tropischen Sommertemperaturen das 20-jährige Bestehen des Festivals und ihre Heavy-Metal-Helden gefeiert. Nachdem das Summer Breeze traditionell durch die Blaskapelle aus dem nahe gelegenen Örtchen Illenschwang eröffnet worden war, ging es anschließend fast ausschließlich laut und ruppig zu Werke. Für den Auftakt am Mittwoch hatten sich die Veranstalter dabei eine besondere Aktion überlegt: So wurde ein Großteil des Programms auf der T-Stage - der Bühne, die nach dem im September 2013 verstorbenen Summer-Breeze-Mitveranstalter Michael Trengert benannt wurde - bis kurz vor dem Start geheim gehalten. Und die Überraschung gelang: So ließen unter anderem die eigentlich vor Jahren aufgelöste schwedische Death-Metal-Formation Vomitory mit einem intensiven Wiedervereinigungskonzert und am späten Abend die bereits im Jahr 1982 gegründete Thrash-Metal-Gruppe Destruction aus dem baden-württembergischen Weil am Rhein die Haare in den ersten Reihen munter kreisen.

Die Folgetage standen dann aber auch im Zeichen der ganz großen Namen der Szene. So richtig voll wurde es erstmals am Donnerstagabend bei den US-Amerikanern Megadeth, der Band um den ehemaligen Metallica-Gitarristen Dave Mustaine, die allerdings mit einer etwas bewegungsarmen Darbietung nicht bei jedem Fan für Begeisterung sorgte, und das, obwohl die Band zum ersten Mal überhaupt auf dem Summer Breeze aufspielte. Unmittelbar danach feierten 20 000 Fans den Auftritt der Berliner Mittelalter-Rocker In Extremo, die mit Dudelsack, E-Gitarren und Songs wie dem vielsagend betitelten "Sternhagelvoll" nicht nur gänzlich den Nerv vieler im Publikum trafen, sondern auch den mittlerweile offensichtlich etwas fragwürdigen körperlichen Zustand einiger Besucher trefflich beschrieben. Im Anschluss boten die Norweger Wardruna Kontrastprogramm: Kehlige Wikingergesänge, traditionelle Instrumente, atmosphärische Klangflächen - die Band bot einen verkopft-spirituellen Ausflug in Folk-Gefilde, der viele Besucher auch weit nach Mitternacht noch vor der Bühne hielt, für andere hingegen den perfekten Rausschmeißer darstellte.

Tags darauf sorgten dann die Essener Thrasher Kreator um Frontmann Miland "Mille" Petrozza für Jubelstürme im Publikum. Auch nach weit über 30 Jahren im Geschäft lieferte die Band um ihren wild krakeelenden, stimmlich aber bestens aufgelegten Anführer einen fulminanten Auftritt, der letztlich - auch unterstützt durch zahlreiche Feuerfontänen und Pyrotechnik - zu einem der absoluten Höhepunkte des Festivals wurde. Die Band mit der wohl weitesten Anreise hatte bereits einige Stunden zuvor ihren harten, schnellen Death Metal ins Publikum gefeuert: Humiliation aus Malaysia wurden aber nicht nur aufgrund ihres Exotenbonusses von den Fans mit viel Applaus bedacht.

Am Samstag sorgten dann zunächst unter anderem die Münchner Alternative-Metaller Emil Bulls, die Würzburger Modern-Black-Metaller Der Weg einer Freiheit sowie die Berliner Blödel-Rocker Knorkator dafür, dass die Tausenden von Besuchern vor den Auftritten der Hauptacts angemessen aufgewärmt waren. Am Abend erlebte das Festival dann beim Auftritt des Thüringer Metalcore-Quintetts Heaven Shall Burn einen weiteren Kulminationspunkt. Die sympathische Truppe aus Saalfeld um Frontmann Marcus Bischoff brannte nicht nur im musikalischen Sinne ein wahres Feuerwerk ab. Von meterhohen Dampf- und Pyrofontänen umhüllt bot die Band eine packende, mitreißende Show. Im Publikum wurde derweil wild gesprungen, getanzt und gefeiert - vor der Bühne bildeten sich wahre Menschenhaufen.

Doch auch danach hatte die Menge ihr Pulver noch nicht verschossen, so verfolgten noch über 20 000 Begeisterte den Auftritt der US-Amerikaner Korn, bevor der Großteil der Besucher sich ein letztes Mal auf den Weg in ihre Zelte machte. Auf einigen Bühnen gab es noch bis spät in die Nacht Musik, viele Fans allerdings mussten den anstrengenden vier Tagen nun Tribut zollen. "Es war unglaublich, wieder einmal. Aber jetzt will ich einfach nur noch nach Hause", sagt Maximilian Brenner aus Augsburg. Der 26-Jährige ist seit 2008 jedes Jahr dabei, immer mit Freunden. Das lange Haar hängt ihm strähnig ins Gesicht, die Erschöpfung ist ihm anzumerken. "Aber, wie jedes Jahr war es das wert", sagt er - und verschwindet mit wackeligen Schritten in die Nacht.