Die bayerische Antwort auf "Breaking Bad"

Im BR startet am Dienstag eine Heimatserie der anderen Art: "Hindafing" ist schräg und rasant erzählt

12.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:08 Uhr

Im Mittelpunkt der neuen Serie steht die Gemeinde Hindafing und ihr Bürgermeister Alfons Zischl (Maximilian Brückner). - Foto: Reisp/BR

So mancher Kommunalpolitiker dürfte entsetzt sein: So durchgeknallt hat man wohl noch nie einen Bürgermeister gesehen. Der ist drogenabhängig, korrupt, machtgeil, spielt jeden gegen jeden aus, weiß clever jede Situation für sich zu nutzen. Doch, und das macht den besonderen Reiz der schrill-schrägen Serie aus, letztlich verheddert er sich stets selbst in seinen Intrigen. Damit nicht genug: Sein guter Kumpel ist Biometzger und macht üble Geschäfte mit ukrainischen Schlachtabfällen.

Wir sind in der kleinen fiktiven Gemeinde Hindafing mit ihrem Bürgermeister Alfons Zischl (Maximilian Brückner). Der will mit seinem Spezl, Bioschlachter Sepp Goldhammer (Andreas Giebel), an der Stelle der alten Kriegskonservenfabrik der Goldhammers ein modernes Bio-Shopping-Paradies errichten, das den klangvollen Namen Donau Village trägt. Alles läuft nach Plan. Doch dann macht Landrat Pfaffinger (Jockel Tschiersch) dem verschuldeten Bürgermeister ein unmoralisches, aber äußerst verlockendes Angebot. Zischl soll Zugriff auf die Schwarzgeldkonten seines verstorbenen Vaters erhalten, wenn er im Gegenzug in Hindafing 50 Flüchtlinge aufnimmt. Als Ort würde sich am besten das Gebäude eignen, in dem eigentlich das Donau Village geplant war. Zischl lässt sich auf den Deal ein und fordert so nicht nur den Unmut Goldhammers heraus.

Auch seine Frau Marie, die eine Galerie im Center bekommen soll, und Vereinsmeier Karli Spitz (Heinz Josef Braun), dessen Tochter Jackie dort einen Friseursalon eröffnen will, sind von den Plänen des Bürgermeisters alles andere als begeistert und schießen zurück. Kaum sind die Flüchtlinge angekommen, werden die Turbulenzen immer größer. Pfarrer Krauss verliebt sich in den jungen Afrikaner Amadou, der türkisch-stämmige Dorfpolizist Yildirim ermittelt heimlich gegen Zischl wegen dessen Verstrickungen ins Drogenmilieu und auch Goldhammer hat so seine Probleme: Auf seinem Hof entdecken Inspekteure ukrainische Fleischabfälle. Alles bio - oder was?

Die neue 6-teilige Serie "Hindafing", die am Dienstag im Bayerischen Fernsehen startet, ist ein schwarzhumoriger, politisch unkorrekter, zuweilen auch noch etwas unausgegorener Spaß, geschrieben und inszeniert von einem jungen Team. Das Konzept ist aus einer Serienausschreibung des Bayerischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Fernsehen und Film München hervorgegangen. Man merkt den Machern an vielen Stellen an, welche Serien sie beeinflusst und wohl auch inspiriert haben: Von "Breaking Bad" über "House Of Cards" und "Fargo" bis "Twin Peaks". Auch hinter der idyllischer Fassade von "Hindafing" verbirgt sich ein Labyrinth aus Sex, Drogen und Lügen. Das Dorf ist nur auf den ersten Blick ein bayerisches Idyll. Hier gibt es Kokain, Affären, Korruption, Geldgier, Machthunger und Flüchtlingspolitik als Spielball eigener Interessen. Dieser Mix führt Zischl in die Katastrophe. Durch seine Intrigen und Spielchen kommen Stück für Stück kleine Geheimnisse, alte Sünden und vergrabene Leichen der Dorfgemeinde ans Licht.

Das ist teilweise hübsch verschachtelt erzählt. Das Buch stammt von Niklas Hoffmann, Rafael Parente und Boris Kunz (führt auch Regie). Nur richtig rund und flüssig ist das alles noch nicht. Doch der frisch-freche Anteil überwiegt deutlich. Und auch die Hauptrollen sind top besetzt. Maximilian Brückner spielt den Zischl, der guter Kerl und Kotzbrocken zugleich ist, und gibt dieser Rolle Intensität und auch Tiefe. Ob ihm dabei seine (reale) Erfahrung als Gemeinderat seines Heimatdorfs Riedering geholfen hat? Wohl eher nicht. Und die Rolle des gerissenen Biometzgers Goldhammer ist wie geschnitzt für Andreas Giebel.

Die Serie lebt von der Überhöhung des Lebens in der Provinz, von der Überspitzung der agierenden Charaktere, will das Landleben satirisch, schwarz-humorig und modern beleuchten. Keine Postkartenidylle, keine Alpen-Panorama-Ästhetik. Was am Anfang witzig beginnt, nimmt im Verlauf der sechs Folgen an Brisanz und Härte zu. "Wir versuchen, aktu-elle Themen zu streifen, politische Diskussionen anzureißen und unsere Figuren dabei zu begleiten, wie sie damit umgehen", sagt Autor Parente. Man traut sich viel. Und das tut der Serie gut.

 

Ab 16. Mai, dienstags Doppelfolgen um 20.15/21 Uhr im BR-Fernsehen, alle Folgen in der BR-Mediathek.