Den Kopf voller Ideen, im Herzen viel Feuer

12.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:30 Uhr

Dirk Kaftan ist Augsburgs neuer GMD. - Foto: Theater Augsburg

Augsburg (DK) Es war ein Traumstart für Dirk Kaftan, den neuen Augsburger Generalmusikdirektor: Jubel, Standing Ovations und rundum begeisterte Reaktionen auf den jungen, experimentierfreudigen Mann mit dem Kopf voller Ideen. Und das nicht nur nach der Neuproduktion von Verdis "Don Carlos", sondern auch nach dem ersten Sinfoniekonzert. Eine solch spontane Begeisterungsfähigkeit wiegt gerade in einer Stadt wie Augsburg doppelt, die durchaus für skeptische Zurückhaltung bekannt ist. "Ich habe mit solch einem Empfang nicht gerechnet", sagt Kaftan und lächelt dabei offen. Er sieht blendend aus, ist dabei aber keinesfalls ein Blender. Denn was er sagt, ist stets eine Herzensangelegenheit für ihn und hat immer Hand und Fuß.

Etwa, wenn er erklärt, wie er auf die ungewöhnliche Platzierung des Orchesters hinter der Bühne im zweiten Teil des "Don Carlos" kam: "Dieses Stück bläht sich im ersten Teil zum Autodafé hin immer mehr auf – und fällt im zweiten plötzlich zurück aufs Individuelle. Um die Sänger noch stärker wirken zu lassen, wollten wir sie vom Orchester tragen lassen und näher ans Publikum bringen." Die Entscheidung sei szenisch wie musikalisch in engster Zusammenarbeit mit dem Regisseur gefallen.

Dieses gemeinsame Denken und Wollen – das zeichnet auch seine Zusammenarbeit mit Intendantin Juliane Votteler aus. "Unsere Grundidee für diese Spielzeit ist das Ausschwärmen in die Stadt", erklärt Kaftan. Es ginge dabei um das Finden ungewöhnlicher Spielorte (wie die MAN-Halle und den Bahnpark für zwei Sonderkonzerte), aber auch um Kooperationen mit Unternehmen. Und: "Wir wollen auf Zielgruppen zugehen, die bislang nicht angesprochen wurden", wie etwa die Einwohner Augsburgs mit Migrationshintergrund. Im 3. Sinfoniekonzert "Träume des Orients" gäbe es türkische Musiker auf der Bühne und einen persischen Erzähler. "Unsere Fäden zur Stadt und ihren Einwohnern sollen keine Anbiederung darstellen, sondern thematische und inhaltliche Anknüpfungspunkte anbieten."

Dazu gehört für ihn vor allem auch innovative Jugendarbeit. Das Projekt, nicht nur Schulklassen zu Proben "mitten ins Orchester" einzuladen, sondern auch mit dem Orchester in den Schulen zu gastieren, hat schon jetzt eine immense Nachfrage von Augsburg bis München bewirkt. "Jugendarbeit ist Chefsache", sagt der GMD, "auch wenn wir die Früchte vielleicht erst in 20 Jahren ernten." Die Vermittlung von Musik scheint ihm im Blut zu liegen. Und so hat er auch eine neue Art der Einführung mit dem gesamten Orchester und eigener Moderation eine Stunde vor Sinfoniekonzert-Beginn ersonnen. Das Motto: "Blick in die musikalische Werkstatt". Eigene Wünsche für die Zukunft? "Ein großer Wagner", schwärmt Kaftan, "und die Beschäftigung mit der historischen Aufführungspraxis, die wir nicht nur Spezialisten überlassen dürfen."

Der neue GMD ist einer, der selbst mit anpackt – und der Visionen hat. Vielleicht ein Grund dafür, warum sein Feuer schon jetzt im Klang der Augsburger Philharmoniker hörbar ist. Was für ein Typ Dirigent er sei? "Das ist immer eine Gratwanderung", sinniert Kaftan über die Zwischenstellung seiner Position zwischen Pultherrscher und Vermittler. Nein, ein Diktator sei er nicht, aber er wisse nach gründlicher Vorbereitung immer sehr genau, was er wolle. "Damit will ich mein Orchester überzeugen – aber dennoch werde ich es nie allen recht machen können."

Augsburg zuliebe hat er soeben vier Produktionen an der Dresdner Semper-Oper abgesagt, die gar nicht genug von ihm als Gastdirigent bekommen kann. "Ich hoffe, es lohnt sich", seufzt Dirk Kaftan – und für kurze Zeit scheinen Wolken vor seinem optimistischen Gemüt aufzuziehen.

Der Grund: Augsburgs Kulturetat soll noch mehr als bislang bekannt für die Folgen der Finanzkrise mit einstehen. "Die Mittel dürfen uns nicht so gekürzt werden, dass uns die Qualität wegbricht", sagt Kaftan entschlossen. Und erklärt: Wenn Stellen im Orchester gestrichen würden, ginge das hörbar auf Kosten des Klangs. "Und ich bin hier doch angetreten, um diesen Klang zu optimieren und viele Neuerungen einzuführen."