Höllischer Spaß mit Kabarettist Michael Altinger

18.02.2017 | Stand 21.06.2017, 3:33 Uhr
Der bayerische Kabarettist Michael Altinger. −Foto: Martina Persy

Ingolstadt (dk) Sind wir alle Lichtgestalten, die nach Kants kategorischen Imperativ leben? Oder steckt doch ein wenig Hölle in uns? Dieser Frage ist der Kabarettist Michael Altinger am Freitagabend in der Eventhalle in Ingolstadt auf den Grund gegangen. Sein Programm "Hell" beleuchtete die Untiefen der menschlichen Natur, Verschwörungstheorien und die unsinnigen Erfindungen eines merkwürdigen Mannes namens Helmut Luchs.

Am Anfang scheint alles in Ordnung. Altinger hat zwar gerade einen Unfall gebaut, sein Auto ist schrott - aber halb so wild. Denn der Unfallgegner ist ein unheimlich netter Kerl, man singt zusammen, lädt sich gegenseitig zum Grillen ein und schließt sogar Blutsbrüderschaft. Beseelt von einem Gefühl der Nächstenliebe besingt der bayerische Kabarettist lächelnd und tanzend Kants These, dass man andere so behandeln sollte, wie man selber behandelt werden möchte. So weit so gut. Noch sitzt das Engelchen auf der Schulter, vom Teufel fehlt jede Spur. Altinger ist mit sich und der Welt im Reinen.

Das ändert sich jedoch, als sein Versicherungsvertreter anruft. Altinger frieren die Gesichtszüge ein, seine Stimme wird brüchig und scheint kurz vor dem Versagen zu sein. Stockend berichtet er dem Publikum, dass der Maserati seines Unfallgegners sehr teuer zu reparieren sei. Und, dass sich "Herr Arschloch" einen Ferrari als Leihwagen zur Überbrückung der Reparatur genommen habe, inklusive Ferrari-Anhänger für die Gartenabfälle. "Ich fahre Ferrari, meine Frau fährt Ferrari und sogar meine rausgerissenen Brennesseln fahren Ferrari!", brüllt Altinger mit hochrotem Kopf. Das Teufelchen nimmt auf der Schulter Platz.  



So beginnt er, in scheinbaren Dialogen - die eigentlich Selbstgespräche sind - mit seiner Ein-Mann-Band, dem Musiker Martin Julius Faber, über Versicherungsbetrug zu sinnieren. Denn mittlerweile könne ja fast jeder Deutsche seinen Thailand-Urlaub mit Schummeleien bei der Haftpflichtversicherung finanzieren. Was übrigens auch gut für Thailand sei: "Der Beschiss der Haftpflichtversicherung läuft mittlerweile doch unter dem Stichwort 'Entwicklungshilfe'". Aber noch steckt ein Stück Kant in Altinger und er betont, fast als würde er sich selbst daran erinnern wollen: "Ich stehe zu meinem Verschulden."

Altinger lässt den Zuschauer Schritt für Schritt mitverfolgen, wie leicht moralische Ansichten und Ambitionen an der Realtität zerschellen können. Aufgelockert wird die humoristische Tragödie durch absurde Lieder über Väter mit Intimrasur, Aperol-Spritz-Tussis und tätowierte Menschen. Zwischendurch vergleicht der 46-Jährige Gott mit der griechischen Sagenfigur Prometheus und teilt seine Gedanken über eine weltumfassende Verschwörung, die alles Unerklärliche erklärt - von der Mondlandung über Lady Dis Tod bis hin zum 11. September. Schuld an allem ist nämlich eine Geheimloge mit 16 Mitgliedern, von denen einer garantiert Verkehrsminister Alexander Dobrindt sein muss. Beteiligt ist laut Altinger auch ein gewisser Helmut Luchs, der Erfinder unnötiger Dinge wie grüner Smoothies oder der Gartenzaun-Gabione. Hier hält der Kabarettist dem Publikum einen Spiegel direkt vor die Nase und gibt Denkanstöße über so manche Irrwitzigkeit des menschliches Lebens.

Beim vierten Telefonat ist klar: Der Teufel in uns gewinnt eben doch. Er schubst den Engel von der Schulter, reißt das Zepter an sich und lässt Altinger seinen hilflosen Musiker zu einem gezielten Versicherungsbetrug überreden. Von moralischen Grundsätzen und Vorbildfunktion einer Lichtgestalt fehlt jede Spur. Stattdessen führt Altinger Kants Leitlinie ab absurdum: "Ich bin der Imperativ. Alles, was ich mache, ist gut für alle. Und wenn nicht - dann mach' ich es trotzdem!"

Mit einem "Gesängelein" zum Abschied bringt der Kabarettist auf brilliante Art und Weise alle Einzelgeschichten zusammen und verknüpft seine roten Fäden zu einem dichten Strang. Seine groteske Zugabe setzt einem grandiosen Abend die Krone auf: Wieder einmal gelingt es Altinger, mit Mimik, Gestik und dem gezielten Einsatz von Sprechkunst den Zuschauern einen durch und durch höllischen Spaß zu bereiten. 

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