Die Musik der Dinge - Schlagzeuger Peter Sadlo ist tot

30.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr
Peter Sadlo −Foto: oh

Ingolstadt (DK) Peter Sadlo hat das Schlagzeug revolutioniert. Nun ist der Musiker 54-jährig überraschend gestorben. Sein letztes Konzert gab er in Ingolstadt.

Dem Schlagzeuger Peter Sadlo war die ganze Welt Musik. Wo er auch hinkam, er konnte sich an den Geräuschen der Dinge erfreuen. „Ich kann an nichts vorbeigehen, ohne dass mich der Klang fasziniert“, sagte er. „Das kann ein Benzinkanister sein oder ein Autoschlüssel, der irgendwo hängen bleibt.“

In der Nacht zum vergangenen Freitag ist Peter Sadlo nun im Alter von 54 Jahren völlig überraschend an den Folgen einer Nieren-Operation in München gestorben – und einen Moment lang stand die musikalische Welt still.

Denn Peter Sadlo ist einer der ganz Großen der Musik, der wahrscheinlich wichtigste Schlagzeuger unserer Zeit. Seine Einspielungen und Konzerte haben ihn berühmt gemacht, sein Einfluss auf die Weiterentwicklung seines Instruments kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Geschlagene Töne prägten den 1962 in Zirndorf bei Nürnberg zur Welt gekommenen Sadlo solange er denken konnte. Gerne erzählte er, dass er bereits im Alter von drei oder vier Jahren Kochtöpfe seiner Mutter nach Tonhöhe zu einem Drumset arrangierte. Der auf der Straße genialisch vor sich hintrommelnde Peter wurde kurze Zeit später von einer Nachbarin ohne Wissen der Eltern beim örtlichen Spielmannszug angemeldet. Dort verblüffte er die Volksmusiker mit seinem außergewöhnlichen Talent.
 
Er erhielt Privatunterricht, war bereits mit zwölf Jahren Jungstudent am Meistersinger-Konservatorium und musizierte schon zwei Jahre später im Bayerischen Landesjugendorchester. Nach dem Studium an der Musikhochschule Würzburg bei Siegfried Fink wurde er mit 20 Jahren zum Solopauker der Münchner Philharmoniker berufen – eine Karrierewendung mit Folgen. Denn mit dem damaligen Leiter der Philharmoniker, dem Dirigenten Sergio Celibidache, lernte das Trommel-Talent seinen vielleicht wichtigsten Lehrer kennen. Celi ließ ihm die klassischen Partituren in völlig neuem Licht erscheinen. „Das ist eine Dimension, die ich noch nie vorher erlebt habe“, erzählte Peter Sadlo, der im Lauf seiner Karriere mit allen großen Dirigenten zusammengearbeitet hat, von Karajan bis Bernstein und Barenboim.

Ende der 90er Jahre wurde die Nachfrage nach dem Solisten Peter Sadlo so groß, dass er das Orchester verließ. Seine Experimentierlust wuchs noch. Er schrieb eine Dissertation und wirkte gleichzeitig daran mit, das Schlagzeuginstrumentarium technisch weiterzuentwickeln. So ist es unter anderem auf seinen Einfluss zurückzuführen, dass das Marimbafon inzwischen nicht nur über fünf, sondern über sechs oder sieben Oktaven verfügt. Verbessert wurde mit seiner Hilfe etwa auch die hydraulische Stimmung der Pauken.

Stilistische Festlegungen etwa auf die klassische Musik, waren Sadlo zutiefst zuwider. „Ich komme von der Volksmusik“, sagte er. In frühen Jahren spielte er auch in Rockbands und auch für Jazz interessierte er sich. Volksmusik betrieb er sein Leben lang weiter – als Hobby.

Im Zentrum stand für ihn jedoch die zeitgenössische klassische Musik, unzählige Komponisten schrieben Werke für ihn.

Fast genauso wichtig wie die solistischen Auftritte war für Peter Sadlo die pädagogische Arbeit. Mit 23 Jahren begann er an der Musikhochschule München zu lehren, mit 28 wurde er Professor am Salzburger Mozarteum. Fast alle bedeutenden Schlagzeuger unserer Zeit gingen durch seine Ausbildung – etwa auch Simone Rubino, der am 20. Juli in Ingolstadt im Rahmen der Audi-Sommerkonzerte auftrat.

Bei den Sommerkonzerten gab Sadlo auch sein letztes fulminantes Konzert am 22. Juli im Ingolstädter Klenzepark. Überhaupt ist der Künstler immer wieder in Ingolstadt aufgetreten – so auch im vergangenen Jahr beim Werkhallen-Konzert der Sommerkonzerte unter der Leitung von Kent Nagano sowie 2005 und 2011 beim Konzertverein Ingolstadt (zusammen mit Gidon Kremer).

Schockiert ist man bei Audi über den überraschenden Tod des Schlagzeugers. Kulturreferent Sebastian Wieser erinnert sich erschüttert an die letzte Zusammenarbeit vor wenigen Tagen. Von einem „großen Verlust für die Schlagzeugszene“ spricht auch Reinald Atzerodt vom Konzertverein. „Vor ihm hat das Schlagzeug ein Schattendasein geführt, durch ihn wurde es wiederentdeckt.“